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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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genießen. Ein elfjähriges, wie aufgezogenes Mädchen vergaß, dass es am Strand eine schwarze Muschel gefunden hatte. Ein ernster fünfzehnjähriger Teenager dachte nicht länger an das Versprechen, abends zu einem Rendesvouz zu kommen.
    Igor zog durchs Artek wie Anton Gorodezki damals durch Moskau.
    Und ich, seine ewige Gegnerin, wollte schreien: »Was tust du da?«
    Anton hatte Sebulon nicht damit geschlagen, dass er mehr Kraft als alle übrigen gesammelt hatte. Selbst in dem Moment wäre Sebulon noch stärker gewesen.
    Anton konnte sie richtig einsetzen...
    Schaffst auch du das?
    Ich will deinen Sieg nicht. Ich liebe nur mich. Aber was soll ich machen, wenn du ein großer Teil von mir geworden bist? Wie ein Blitz in mein Leben eingeschlagen hast?
    Igor sammelte alles. Jeden Funken lichter Energie, den es um ihn herum gab. Er brach alle Gesetze und Abkommen, setzte alles auf eine Karte - und zu allererst sein Leben. Und nicht nur, weil er einzig den Wunsch hegte, die Menschenkinder vor einer bösen Hexe zu schützen.
    Er wollte ebenfalls nicht mehr leben. Nur dass er im Unterschied zu mir bereit war, für andre zu leben. Wenn es nötig war...
    Makar war der Letzte, von dem er sich Kraft holte.
    Ich spürte schon seit einiger Zeit den Blick des Jungen auf mir. Den sehnsüchtigen Blick eines Jungen, der sich in eine erwachsene Frau verliebt hatte. Einen sehnsüchtigen Blick ... voller Abschiedsschmerz.
    Das ist nicht der Schmerz, den wir, die Dunklen, uns zunutze machen können. Das ist ein lichter Schmerz.
    Igor trank ihn bis zur Neige.
    Er sprengte jede Kette. Ich konnte es ihm nicht einmal gleichtun - mich band das Versprechen, das ich Sebulon gegeben hatte, mich hielt der Fehler von damals davor zurück.
    Und die irrsinnige Hoffnung, dass Igor sich richtig verhalten würde. Dass mein Feind siegt - und ich trotzdem nicht verliere.
    Am Himmel verlosch langsam die Sonnenscheibe. Sie durch die Brille zu betrachten langweilte die Kinder bereits, die jetzt in diesem seltsamen durchscheinenden Licht, das die beiden Anderen am Strand ans Zwielicht erinnerte, durchs Meer tobten.
    Ich drehte mich Igor zu und fing seinen Blick auf.
    Geh weg, flüsterten seine Lippen tonlos. Geh weg oder ich bring dich um.
    Dann bring mich um, antwortete ich ebenso tonlos.
    Ich bin eine Dunkle.
    Ich werde nicht gehen.
    Was hatte er vor, mein Feind? Wollte er mich angreifen? Obwohl ich das Recht hatte, hier zu sein? Wollte er die Nachtwache aus Jalta hinzuziehen? Bestimmt hatte er sich bereits mit ihr in Verbindung gesetzt ... und dabei bloß erfahren, dass er mich nicht belangen konnte.
    Igor kam näher.
    »Beim Licht und beim Dunkel, ich fordere dich heraus ...«, flüsterten seine Lippen.
    Mich durchrieselte ein Zittern.
    Das hatte ich nicht erwartet. Auf gar keinen Fall.
    »Unabhängig von Licht und Dunkel, nur du und ich, wir beide, bis zum Ende...«
    Er forderte mich zum Duell.
    Ein alter Brauch, der zusammen mit dem Großen Vertrag zwischen den Lichten und den Dunklen aufgekommen war. Und fast nie praktiziert wird. Denn der Sieger muss sich vor der Inquisition verantworten. Denn zum Duell kommt es nur, wenn es keine gesetzlichen Grundlagen für eine Auseinandersetzung gibt, wenn die Wachen kein Recht haben, sich einzumischen, wenn Gefühle, aber nicht der Verstand das Handeln bestimmen.
    »Möge das Licht mein Zeuge sein.«
    Wohl kaum jemand dürfte die winzige Zunge jenes weißen Feuers gesehen haben, das kurz in Igors Hand aufloderte. Er zuckte sogar selbst zusammen. Die höchsten Kräfte reagieren nur selten, wenn einfache Wächter sie anrufen...
    »Igor, ich liebe dich...«
    Sein Gesicht verzerrte sich, als sei er geschlagen worden. Er glaubte mir nicht. Konnte mir nicht glauben.
    »Nimmst du meine Herausforderung an, Hexe?«
    Gewiss, ich konnte ablehnen. Konnte nach Moskau zurückkehren, gedemütigt und entehrt, gebrandmarkt als Hexe, die sich vor einem Zweikampf gedrückt hat... jeder lausige Werwolf würde auf mich spucken...
    Außerdem konnte ich versuchen, Igor umzubringen. Genug Kraft zu sammeln, um mich ihm entgegenzustellen...
    »Das Dunkel sei mein Zeuge ...«, sagte ich und streckte die Hand aus. Ein Krumen Dunkelheit zitterte auf meiner Hand.
    »Wähl«, forderte Igor mich auf.
    Ich schüttelte den Kopf. Ich würde weder den Ort, noch die Zeit oder die Waffen bestimmen.
    Versteh mich doch, versteh mich!
    »Dann treffe ich die Wahl. Jetzt. Im Meer. Mit der >Presse<.«
    Seine Augen glänzten dunkel. Bei Sonnenfinsternis

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