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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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und dem Licht.
    Denn die Liebe ist nicht bloß Sex, nicht der gleiche Glaube oder »das gemeinsame Führen eines Haushalts und die Erziehung von Kindern«.
    Die Liebe ist ebenfalls eine Kraft.
    Und weder das Licht noch das Dunkel, weder die Menschen noch die Anderen, die Moral oder das Gesetz, die Zehn Gebote oder der Große Vertrag haben auch nur das Geringste mit ihr zu tun.
    Und ich liebe dich trotz allem, du Dreckskerl, du Schuft, du Lichtes Mistvieh, du gutmütiger Schwachkopf, du zuverlässiger Spießer! Trotz allem! Selbst wenn wir uns vor drei Tagen gegenübergestanden haben und nur eins im Kopf hatten: den Feind zu vernichten! Selbst wenn uns ein Abgrund voneinander trennt, der niemals von irgendwem überwunden wird!
    Und das solltest du gefälligst begreifen: dass ich dich liebe!
    Und all meine Worte dienen nur meiner Verteidigung, es sind ebenfalls Tränen, nur siehst du sie nicht, willst sie nicht sehen...
    Aber komm zu mir, egal wo - im Zwielicht, wo uns niemand sieht, oder auf dieser Veranda, vor den Augen der staunenden Kinder -, und nimm mich in die Arme, und dann weinen wir gemeinsam, und keiner sagt ein Wort, und ich haue ab, kehre zu Sebulon zurück, nach Moskau, krieche unter die Fittiche der zufriedenen Lemeschewa ... Möchtest du, dass ich die Tagwache verlasse? Ja? Ich werde immer eine Dunkle bleiben, das kann ich nicht ändern, das will ich auch gar nicht, aber ich könnte den ewigen Krieg zwischen Dunkel und Licht hinter mir lassen, einfach leben, sogar darauf verzichten, mir von den Menschen Kraft zu nehmen, und selbst wenn du dann immer noch nicht mit mir zusammen sein möchtest - worum ich dich ja auch gar nicht bitte -, so behalte wenigstens in Erinnerung, dass wir einander geliebt haben!
    Komm einfach zu mir.
    Antworte nicht auf meine Worte!
    Ich bin eine Dunkle!
    Das werde ich immer sein.
    Ich liebe nur mich auf dieser Welt!
    Aber jetzt bist du ein Teil von mir. Ein großer Teil. Der wesentliche Teil. Und wenn es nötig sein sollte, würde ich einen Teil von mir töten, was hieße, ich würde mich vollends töten.
    Du aber tu das nicht!
    Du bist doch ein Lichter!
    Ihr bringt euer Leben auf dem Opferaltar dar, ihr beschützt die Menschen und steht füreinander ein ... versuch doch wenigstens, auch mich so zu sehen, selbst wenn ich eine Hexe bin, selbst wenn ich deine Feindin bin! Zumindest ab und an begreift ihr doch etwas. So wie Anton Gorodezki etwas verstanden hat... als er die ungeheuere Kraft gesammelt hat, nur um sie nicht einzusetzen. Anton kann ich nur bewundern, als echten Feind, aber dich liebe ich. Liebe ich! Liebe ich! Versteh das doch und komm zu mir, du geliebter Schweinehund, mein süßes Scheusal, mein einziger Feind, mein widerlicher Vollidiot!
    »Vollidiot!«, schrie ich.
    Und Igors Gesicht verzerrte sich in solch unermesslicher Qual, dass ich begriff: Aus und vorbei.
    Licht und Dunkel.
    Gut und Böse.
    Das sind bloß Worte.
    Doch wir sprechen unterschiedliche Sprachen und werden einander nie verstehen - selbst wenn wir dasselbe sagen wollen.
    »Geh weg. Oder ich bringe dich um.«
    Er sprach diese Worte aus - und trat aus dem Zwielicht. Die Umrisse seines Körpers verloren sich, lösten sich auf, damit er in der Menschenwelt wiedergeboren werden konnte, neben den Jungen aus dem Artek. Ich stürzte ihm nach, riss mich aus meinem Schatten - wenn man doch so leicht aus sich selbst herauskönnte, aus seinem eigenen Wesen, seinem eigenen Schicksal!
    Ich konnte gerade noch sehen, wie Igor, sobald er in die menschliche Realität gelangt war, nach der Gitarre griff, die fast den Boden berührte, sein schmerzverzerrtes Gesicht mit dem »Parandscha« tarnte - keine Ahnung, wie die Lichten ihn nennen - und die Jungen aus der Trance holte. Er hatte sie nämlich erstarren lassen, bevor er ins Zwielicht getreten war. Damit sie nicht erschraken, wenn ihre Erzieher plötzlich verschwanden...
    Was hast du gesagt, Nataschka?
    Zuverlässig?
    Ja. Zuverlässig.
    »Du musst jetzt gehen, Alissa«, sagte Igor. »Was sagen wir da, Jungs?«
    Nur ich sah jetzt sein wahres Gesicht. In dem Schmerz lag, nichts als Schmerz...
    »Auf Wiedersehen«, meinte der dicke Junge.
    »Tschüss«, sagte Aljoschka.
    Meine Beinen waren wie Watte. Ich löste mich vom Geländer der Veranda, an das ich mich gelehnt hatte ... und machte einen Schritt.
    »Leb wohl«, sagte Igor. Dunkel.
    Wie gut, dass es dunkel ist.
    Dann brauchte ich keine Kraft auf den »Parandscha« zu verschwenden. Dann musste ich nicht heiter

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