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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ihn herum geschah, sondern nur daran dachte, dass ich seine Liebe getötet hatte. Der dumme Lichte Magier, der nicht wusste, dass es bei Duellen keinen Sieger gibt, vor allem dann nicht, wenn das Duell sorgfältig von Sebulon eingefädelt worden ist...
    »Igor ...«, flüsterte ich, während ich untertauchte und spürte, wie mich ein dunkler Himmel hinunterdrückte, immer weiter nach unten - hinein in einen dunklen, dunklen, dunklen Grund.
    Papa, verzeih ... aber ich kann dieses Meer nicht durchschwimmen ...

 
Zweite Geschichte
 
Fremd unter Anderen

Prolog
    In der Ferne glommen bereits die Lichter des Bahnhofs, doch der düstere verlassene Park neben der Fabrik Morgenröte wahrte die dichte eisige Dunkelheit. Unter den Füßen knirschte Harschschnee, der bis zum Mittag vermutlich wieder geschmolzen sein würde. Die fernen Pfiffe der Lokomotiven, unverständliche Durchsagen über Funk und das Knirschen unter den Füßen - das war alles, was ein Spaziergänger hören würde, den es zufällig zu dieser Zeit in den Park verschlug.
    Nachts kam jedoch schon lange niemand mehr hierher -selbst abends nicht. Nicht einmal die Hundehalter, die ihre kräftigen bissigen Mündel Gassi führen wollten.
    Denn auch die Hunde würden sie nicht vor dem retten, was ihnen nachts im Dunkeln begegnen konnte, zwischen den seit vier Jahrzehnten wachsenden jungen Eichen.
    Ein einsamer Reisender mit einer großen Tasche über der Schulter wollte ohne Zweifel schnellstmöglich zum Zug und hatte daher beschlossen, eine Abkürzung zu nehmen. Durch den Park zu gehen. Über den knirschenden Harsch und den hier und da hervorlugenden Kies des Weges. Erstaunt blickten die Sterne auf diesen kühnen Mann. Durch die mäandernden kahlen Äste leuchtete die gelbe Scheibe des Mondes hindurch wie eine Pfütze Advokaat-Eierlikör. Die bizarren Umrisse der Mondmeere wirkten wie die Schatten menschlicher Ängste.
    Der Reisende gewahrte zwei Lichter von einem Augenpaar,  als ihn von den Bäumen am Rand des Parks nur noch dreißig Meter trennten. Jemand spähte ihm aus den Büschen hinterher, die den Weg säumten und die zu dieser Jahreszeit Skeletten glichen. Etwas Dunkles ließ sich dort im Gestrüpp erahnen; genauer: nicht etwas, sondern jemand, denn dieser Klumpen Finsternis lebte. Bewegte sich zumindest.
    Ein dumpfes Brummen, kein Gebrüll, nur ein leises, tonloses Schnarren - das war alles, was den blitzschnellen Überfall begleitete. Im Mondlicht blitzten Zähne. Ein kompletter Satz.
    Der Mond stellte sich bereits auf neues Blut ein. Auf ein neues Opfer.
    Doch plötzlich erstarrte der Angreifer, einen Moment nur, als sei er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt. Dann brach er - komisch piepsend - auf dem Weg zusammen.
    Der Reisende blieb kurz stehen. »Was machst du denn hier, du Vollidiot?«, zischte er dem Angreifer zu. »Soll ich die Nachtwache rufen?«
    Der Klumpen Dunkel zu Füßen des Reisenden knurrte beleidigt auf.
    »Du hast Glück, dass ich spät dran bin ...« Der Reisende rückte den Riemen der Tasche über der Schulter zurecht. »Wir haben es ja weit gebracht, wenn jetzt schon Andere über Andere herfallen ...« Hastig brachte er die letzten Meter des Parks hinter sich und rannte, ohne sich noch einmal umzusehen, zum Bahnhof.
    Der Angreifer kroch vom Weg runter, und erst unter den Bäumen vollführte er seine Transformation, indem er sich in einen nackten, einen völlig nackten Mann von etwa zwanzig Jahren verwandelte. Einen hochgewachsenen und breitschultrigen Mann. Der Harsch unter seinen bloßen Füßen knirschte gequält auf. Die Kälte spürte der Mann anscheinend nicht.
    »Verflucht!«, stieß er flüsternd aus und erst dann erzitterte er vor Kälte. »Wer war das denn?«
    Er blieb nackt und böse, aber das seltsame entkommene Opfer hatte ihm jeden Wunsch weiterzujagen genommen. Angst packte ihn, obwohl er noch eine Sekunde zuvor felsenfest davon überzeugt war, jeder müsse allein ihn fürchten, den Tiermenschen, der auf Jagd zog. Auf eine trunkene, berauschende Jagd nach einem Menschen. Eine Jagd ohne Lizenz -das ließ das Gefühl des Risikos und des eigenen Schneids noch schärfer hervortreten.
    Zwei Dinge hatten den Eifer des Jägers völlig erkalten lassen. Erstens, das Wort Nachtwache - denn eine Lizenz hatte er nicht. Und zweitens der Umstand, dass er in dem entkommenen Opfer nicht den Anderen zu erkennen vermocht hatte. Nicht seinesgleichen ausgemacht hatte.
    Bis vor kurzem hätten sowohl der Tiermensch als auch alle

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