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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ausgegeben worden war. Die Seite zum Familienstand glänzte in jungfräulicher Reinheit. Ich seufzte, teils aus Erleichterung, teils aus Enttäuschung.
    Es folgte das ewige Joch und der ewige Fluch eines jeden Bürgers der ehemaligen Sowjetunion: die polizeiliche Anmeldung. Stadt Nikolajew, Tschaikowski-Straße 28, Wohnung 28.
    Ach nee! Schon wieder diese Achtundzwanzig, noch dazu gleich zweimal.
    Nun setzten meinen Assoziationen tatsächlich ein:. Ich erinnerte mich, dass dieses Haus an der Ecke Tschaikowski-Straße und Molodogwardejskaja stand und daneben die 28. Schule lag (schon wieder diese Zahl!). Ich erinnerte mich an alles, klar und deutlich, bis hin zu der angekohlten Pappel unter meinem Fenster, einem Opfer der chemischen Experimente eines jungen Mannes, der über mir wohnte. Es gab wohl keinen Dreck, den er nicht aus dem Fenster auf den bereits arg in Mitleidenschaft gezogenen Baum kippte! Ich erinnerte mich aber auch, wie wir uns vor fünf Jahren im Nachbarhaus besoffen hatten, bei einem Freund, dem so genannten Dozenten; damals hatte jemand die Mieterin der Wohnung darunter, die sich über den Radau beschwert hatte, leichtsinnigerweise weggejagt. Die Frau stellte sich als Armenierin heraus, die Gattin irgendeines Paten der Gegend, ze Gesindel, angerannt, um uns die Fresse zu polieren, worauf ich durch das Oberlicht im hintersten Zimmer fliehen musste, denn das Fenster ließ sich nicht öffnen, und dann die Regenrinne herunterrutschte. Als die Armenier sahen, dass einer der nichtsnutzigen Betrunkenen aus der belagerten Wohnung entkommen war, hielten sie ihre Fäuste im Zaum, sodass wir uns endlich mit ihnen ins Benehmen setzen konnten. Außerdem erinnerte ich mich noch an mein bitteres Staunen, als, nachdem ich meine Freunde und Bekannten aus der Gegend - mit denen ich schon oft Bier an den umliegenden Buden getrunken hatte - zu Hilfe gerufen hatte, kein Einziger von ihnen gekommen war.
    Ich riss mich von den unerwartet klaren Erinnerungen los.
    Hatte ich also doch eine Vergangenheit? Oder waren das bloß Erinnerungen, die in der Luft hingen?
    Das würde ich schon rauskriegen.
    Dem Ausweis entnahm ich noch die im Moment völlig wertlose Information, dass ich das »Recht auf die kostenfreie Privatisierung des Wohnraums in einem Umfang von (der Umfang war nicht angegeben) bei einer Norm von 24,3 m2« wahrgenommen hatte.
    Das war's.
    Nachdenklich steckte ich das Dokument in die Tasche zurück - wieder in die linke Brusttasche - und starrte unverwandt auf die Tasche. Welche Hilfe wirst du mir sein, du schwarz-grüne Gefährtin mit der ausländischen Aufschrift FUJI auf der gewölbten Seite?
    Bestimmt wirst du mir wenigstens ein bisschen helfen...
    Leise surrte der Reißverschluss. Ich klappte den oberen Deckel auf und schaute hinein.
    Zuoberst fanden sich in einer Plastiktüte eine Zahnbürste, eine Tube Blend-a-med, zwei billige Einwegrasierklingen und ein schwarzes wohlriechendes Fläschchen, offensichtlich ein Eau de Cologne.
    Auf die Bank damit.
    In der nächsten Tüte entdeckte ich einen warmen Wollpullover, ohne Zweifel selbst gestrickt und nicht maschinell hergestellt. Den konnte ich auch zur Seite legen.
    Ein paar Minuten kramte ich in den Tüten: saubere Unterwäsche, T-Shirts, Socken, ein warmes kariertes Hemd ...
    Aha, hier hatten wir etwas andres.
    Ein Mobiltelefon. Ein kleines Handy in einer Ledertasche mit einer Antenne zum Herausziehen. Mein Gedächtnis reagierte sofort darauf: Wenn ich in Moskau bin, muss ich mir eine Karte kaufen...
    Das Ladegerät fand ich ebenfalls.
    Schließlich entdeckte ich am Boden der Tasche noch eine weitere Tüte. Mit irgendwelchen Päckchen drin.
    Als ich hineinsah, traf mich fast der Schlag. In einer stinknormalen Plastiktüte mit einem halb verblassten und deshalb nicht mehr zu erkennenden Aufdruck lagen in zwei Schichten Geldbündel. Amerikanische Dollar. Zehn Bündel. Hunderter. Das machte hunderttausend.
    Ganz von selbst langte meine Hand zur Tür und schob den Riegel vor.
    Hast du Töne, wie war ich denn an die gekommen? Und wie brachte ich eine solch ungeheure Menge Geld über die Grenze? Freilich, den Zöllnern könnte ich je einen Hunderter in die Hand drücken - dann würden sie mich wahrscheinlich in Ruhe lassen.
    Dieser Fund entzündete in meinem Gedächtnis praktisch nichts, von dem Gedanken an die enorm teuer gewordenen Moskauer Hotels vielleicht abgesehen.
    Noch immer leicht perplex, packte ich die Sachen zurück in die Tasche, schloss sie und schob

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