Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
Vom Netzwerk:
ganz rosa, und der Rest war ein Kinderspiel. Marlon pflückte den Ball hinter der Tribüne cool aus der Luft und jonglierte ihn so lang, bis Vanessa ihren Startpunkt auf der anderen Seite erreichte. Dann lupfte er ihn in einem hochhaushohen, aber ganz sanften Bogen zu ihr hinüber, damit sie ihn mit ihrem Nacken auffing. Von da rollte er brav über den ausgestreckten Arm, blieb auf dem Handrücken liegen und bewegte sich selbst nicht, als sie sich verbeugte.
    „Wir danken euch!“, rief sie zu den Wölfen empor. „Wir danken euch dafür, dass ihr uns aufgeweckt habt!“
    Doch als sie das Tuch von den Augen riss und sich wieder erhob, waren die Wölfe verschwunden. Vanessa schaute verwundert vom Hügel zu Marlon und dann bewundernd zu Willi hinab.
    „Ja, und ich danke dir, Willi! Du bist ein Genie!“
    Sie strahlte ihn an und Willi brummte verlegen.
    „Nein, ich hab doch eigentlich gar nichts gemacht!“
    Er stellte mich vorsichtig auf den Boden.
    „Ich hab doch nur im Müll rumgesucht!“
    „Ja“, nickte Vanessa, „und dort hast du unsere Herzen gefunden. Los!“, rief sie, „lasst uns bei Willi bedanken. Heute ist Wasch- und Badetag.“ Damit sprang sie vom Zaun und dann jagten wir den sich zeternd und schimpfend wehrenden Willi dreimal durch den Teufelstopf .

LEBENDIG BEGRABEN
    Willi wurde zuerst samt seiner mit Rost eingestaubten Klamotten unter die Gießkannendusche geschleppt. Dann zwangen wir ihn in die Wanne, die Markus und Maxi aus dem Schrotthaufen des Wohnwagens zogen. Wir spannten ein paar Tücher als Sichtschutz für seine Privatsphäre auf. Wir ließen ihm mit dem auf dem Feuer im Ölfass erhitzten Wasser ein Schaumbad ein, das bis nach Bora-Bora duftete, und erlaubten ihm erst wieder, aus der Wanne zu steigen, als sein Nadelstreifenanzug gewaschen an der Leine hing. Auch die Punkte auf seinem Hemd waren wieder weihnachtsschneeweiß, und genauso fühlten wir uns, als wir zu Beginn der Geisterstunde aus dem Teufelstopf fuhren.
    Zu Beginn der Geisterstunde. Ja, das dachte ich wirklich, und ich wusste beim besten Willen nicht warum. Wir fühlten uns nämlich wie neugeboren und in dieser überschwänglichen Laune brachten wir einen nach dem anderen nach Haus. Zuerst Raban, dann Juli, dann Maxi und Markus. Ich hielt mir die Augen zu, damit mir nicht schlecht wurde, als Marlon Vanessa zum Abschied echt küsste, und dann fuhren wir nur noch zu dritt und absolut schweigend durch die leeren Straßen der Stadt.
    Das einzige Geräusch, das wir zu dieser Stunde noch hörten, war das Rauschen der Reifen auf dem Asphalt. Ja, und ab und zu unser Lachen, wenn sich einer von uns an Vanessas Fahnen-Lianen-Flugvolley-Scherenschlag erinnerte. Wow! War der vielleicht cool gewesen! Doch kurz vor dem Gartentor vom Haus ihres Vaters bemerkte Marlon urplötzlich, dass ich ja auch noch da war.
    „Hey! Einen Moment!“ Marlon bremste abrupt und wir hielten überrascht ein paar Meter vor ihm. „Leon, wir haben doch tatsächlich unseren wichtigsten Mann vergessen. Den Schlüsselträger, der uns nach Donnerschlag bringt.“ Er grinste mich an und ich wurde verlegen. Verlegen vor Stolz.
    „Na klar!“, lachte Leon. „Und den müssen wir doch nach Haus eskortieren. Stell dir vor, ihm passiert was, und der Schlüssel ist weg!“
    Ich leuchtete jetzt wie die Nase von Rudolph. Rudolph, dem Rentier, das kennt ihr doch, oder? Doch das war so schön. Das war noch viel schöner als das weihnachtsschneeweiße Glücksgefühlkribbeln, das ich die ganze Zeit schon empfand.
    „Heißt das, ich bin jetzt einer von euch?“
    Ich sah das Leuchten in Leons Augen. Das war Freundschaft und Anerkennung hoch zwei. Und Marlon wollte gerade noch etwas viel Wundervolleres sagen, da hörten wir alle:
    „Das glaube ich nicht!“
    „Wie bitte? Was?“ Ich stutzte erschrocken und wurde ganz bleich.
    Weihnachtsschnee, Glücksgefühl und Rentiernase waren verschwunden. Stattdessen wurde mein Blut zusammen mit meinem Herz durch den Schlüpfer in meine Socken gepresst und ich wusste sofort, warum ich bei unserem Aufbruch kurz daran gedacht hatte, dass die Geisterstunde beginnt.
    Die Hexe von … ähm, ich mein’ meine Mutter … stieg aus dem Smart, der im Schatten der gegenüberliegenden Toreinfahrt parkte, und ging einmal um den kleinen Wagen herum. Sie sah wie der Ritter der Finsternis aus. Das streng zu einem Knoten gebundene Haar war ihr Helm, das Kostüm ihre Rüstung und auf ihrem Mantel, der lose um ihre Schulter wehte, suchte ich die

Weitere Kostenlose Bücher