Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
Vom Netzwerk:
ihren letzten Echtzeit-Menschenversuch nannten – der erste »Sprung ins kalte Wasser«, den Marena am Stake erwähnt hatte – und hatten Tony Sics Bewusstsein in den Kopf eines einundsechzigjährigen Honduraners transferiert, der an Magenkrebs starb. Dabei gab es keine messbare Veränderung von Sics wichtigsten Erinnerungen, seinen mentalen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit. Das wurde jedenfalls behauptet.

    Ich hatte allerdings das Gefühl, dass sie noch weitere Tests durchgeführt hätten, die sie mir verschwiegen. Wahrscheinlich hatten siewenigstens einmal Sics Daten in den Kopf von jemandem aus der Vergangenheit geschickt. Mehr erfuhr ich zu diesem Thema nicht. »Es gibt Dinge, die sind einfach derart illegal, dass niemand von ihnen wissen will«, hatte Marena gesagt, als wären die anderen Scherze, von denen ich erfahren hatte, bloß Verkehrsübertretungen gewesen.
    Und ganz im Ernst, was wir taten, war nicht besonders nett. Das schweizerische Team hatte, ehe es mit meinem SOS überhaupt begann, eine Salve Photonen mit einem Muster abgeschossen, das darauf ausgelegt war, Soledads Verstand gründlich durcheinanderzubringen, oder, wie A 2 es formulierte, die Hirnmasse der Zielperson zu löschen. Dabei mussten die sogenannten niederen Funktionen des Gehirns – wie sensorische und motorische Fertigkeiten – offensichtlich intakt bleiben. Daher rührte die »Waschwelle«, wie man sie nannte, die Erinnerungen der Zielperson, die noetisch genannt wurden, nicht an; damit waren semantische und räumliche Kenntnisse gemeint, Dinge wie das Wissen, wie man eine Sprache spricht oder eine Treppe hinuntersteigt. Aber ihre episodischen Erinnerungen wurden überlagert. Man könnte vielleicht sagen: Was wir taten, entsprach mehr der Herstellung eines Fotoabzugs oder noch besser eines Hologramms. Ein holografisches Negativ enthält eine zweidimensionale Aufzeichnung der Quantitäten, in denen Lichtwellen von einem Objekt reflektiert werden, und wenn man Licht durch das Negativ zurücksendet, bringt es die Wellen wieder in eine Position, als wäre das Objekt noch an Ort und Stelle. Und jedes Stück des Hologramms enthält das komplette Bild. Das heißt, wenn man das Negativ in zwei Hälften schneidet und Licht durch die eine Hälfte schickt, sieht man noch immer das ganze Bild, nach wie vor in 3-D, aber weniger detailliert.
    Man braucht aber ein menschliches Auge, um es zu erkennen. Wie ein Hologramm war auch die Aufzeichnung meines Bewusstseins nur eine Schablone. Sie eignete sich nur dazu, ein anderes System neu zu beschreiben, und wie ich wohl schon sagte, war auf dem Stand unserer technischen Entwicklung das einzige System, das dazu groß und komplex genug war, ein anderes menschliches Gehirn.
    Der Vorteil dabei bestand darin, dass nichts von dem Inhalt – meinem SOS also – interpretiert werden musste. Es musste nur sichergestellt werden, dass der Inhalt so komplett übertragen wurde wie möglich. Davon abgesehen brauchte kein Mensch und kein Programm, der oder das beim Transfer mitarbeitete, irgendetwas darüber zu wissen, welches Muster welche Erinnerung codierte, so wie eine Kamera nicht zu wissen braucht, ob das Gesicht, von dem sie ein Foto machen soll, lächelt oder nicht. Solange die Intervalle zwischen jedem Wellenberg genau darauf abgestimmt waren, Ammonshorn-Output nachzuahmen – die meisten Langzeiterinnerungen laufen über das Ammonshorn –, würden die Kortizes glauben, sie erhielten Informationen aus eigenem Hause.
    Natürlich haben Gammaquanten eine hohe Energie und können somit eine Menge Schaden anrichten. Deshalb ist das Gammamesser ein so heißes Werkzeug in der Mikrochirurgie. In diesem Fall würde die Wirtin – wie man sie gern nannte, als hätte sie uns eingeladen – fast zwei Sievert ausgesetzt, einer Strahlendosis, die nicht sofort tödlich wirkte, aber genug, um Tumore zu entwickeln und persönliche Erinnerungen zu löschen, etwa wie ihr Vater ausgesehen oder was sie zur Erstkommunion getragen hatte, und damit wurde sie zu einer anterograden Amnesiekranken.
    Was wir taten, unterschied sich also nicht sonderlich von Mord. Nein, seien wir ehrlich: Es war Mord.
    Taro zufolge, der zwar keine Neurobiologe war, aber aufgrund seiner breit gefächerten Kentnisse viel über die Forschungen wusste, waren die ersten Feldversuche »uneinheitlich« verlaufen. Die Zielpersonen hatten einiges, aber nicht genug aufgeschnappt, oder die induzierten Erinnerungen wurden falsch interpretiert oder mit

Weitere Kostenlose Bücher