Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
Vom Netzwerk:
trocknen. Dann brächte man sie dahin, wo sie heute noch lag, und wenn sie mit ihren eingefallenen, verschrumpelten Augen noch sehen könnte, würde sie durch die Fenster in ihrem Sarg Silhouetten im Kapelleneingang erblicken, ihre alternden Schwestern, wie sie hereinhumpeln, beten und hinausrauschen, dann neue Schwestern und Priester, dann Fremde, und schließlich Fremde in eigentümlicher, unschicklicher Kleidung, die sie durch Kästen hindurch anblicken und gar nicht mehr beten. Eines Abends dränge dann eine eigentümlich gefärbte Flut beständigen Lichts aus dem Mittelschiff herein, und das wiederholte sich jeden Abend. Die Opferkerzen, die ihr in den meisten Nächten Licht spendeten, würden weniger, aber sie verschwänden nicht ganz, und dann, an einem der nahezu identischen und nahezu unzähligenNachmittage würde sie Marena, Dr. Lisuarte, Grgur, Hitch und mich erblicken, wie wir, ein wenig zögernd, hereinkamen, um ihren Leichnam zu schänden.
    »Können Sie diese Tunte wecken gehen?«, fragte Marena Grgur, der hinter Hitch folgte. »Danke.« Sie meinte den Priester.
    Sie stellten eine Halogen-Arbeitsleuchte auf, richteten sie auf das Altarbild und beraubten die Szene jeder schwarzromantischen Stimmung, die sie andernfalls gehabt hätte. Padre Manuda kam mit einer Art kleinem Campinghocker herein und setzte sich vor den Sarg. Er holte seine Schlüssel heraus – sein Bund umfasste ungefähr hundert davon an einer Schlinge aus grüner Zwanzig-Pfund-Angelschnur –, fand den richtigen, öffnete das alte Yale-Vorhängeschloss und versuchte, den dunklen Eichendeckel anzuheben. Er saß fest. Der Priester erhob sich und zog fester. Der Sarg hob sich an, doch der Deckel blieb geschlossen.
    Hitch suchte aus seinem Werkzeugkasten die Miniaturausgabe eines Brecheisens heraus, und wir versuchten es damit, aber es hatte keinen Sinn. Schließlich fand Grgur ein paar alte Vierkantkopfnägel an den Kopf- und Fußenden des Deckels und zog sie mit einem Multi-Tool heraus. Padre Manuda rüttelte an dem Ding und zerrte wieder daran, und es öffnete sich knarrend. Eine Wolke von Pflanzengerüchen wie nach Basilikum und alten Rosen stieg auf. Er spähte durch die Wolke in den Sarg und schob ein paar große Ansteckbuketts oder Sträußchen oder was auch immer beiseite. Die Blütenblätter zerbröckelten, und die Fetzen stoben umher.
    » Mejor hacemos nosotros esta cosa« , sagte Marena in überraschend gutem Spanisch. »Diesen Teil machen wir lieber selbst.« Der Priester erklärte sich einverstanden, segnete die Kapelle noch einmal und ging. Wir drei standen kurz da und sahen den Leichnam an.
    »Me da rabia« , sagte Hitch. Das bedeutet: »Davon bekomme ich Tollwut«, was wiederum heißt: »Das macht mich wirklich fertig.« Ich hörte, wie er den Arm bewegte, als bekreuzigte er sich.
    »Wir kommen sowieso alle in die Hölle«, sagte ich.
    »He, lasst uns Jed holen«, rief Marena wie in einem alten Werbespot. »Leute, nehmen wir Jed, Jed fasst alles an!«
    »Ist schon okay, ich vertraue dir«, erwiderte ich.
    »Nein, wirklich, genier dich nicht.«
    »Ich bin mir ganz sicher, dass du nichts im Ärmel versteckt hast.«
    »Ich weiß, aber … verdammt noch mal, mach schon. Wirklich. Es ist mein Ernst.«
    »Na schön«, sagte ich. Ich hockte mich hin. Lisuarte war der Meinung gewesen, ich sei noch ein bisschen aufgedreht, also hatte sie mir Noraephron gespritzt, und nun schwankte ich ein wenig. Ich griff in den Sarg und begann, die Schichten selbst gesponnener Wolle und dann den musselinartigen Unterrock vom Schritt des Leichnams zurückzuziehen, aber das Gewebe war ausnahmslos irgendwie ölig und spröde und brach, als ich es zurückfaltete. Sor Soledads Leiche war an der Luft mumifiziert worden, deshalb war die Haut unter den Stoffen in recht gutem Zustand und fast von einem dunklen Grün, spannte sich über dieses kleine zierliche abstrakte Becken, als wäre es von Henry Moorish. Ich tastete nach dem vorderen Darmbeinkamm und dann im 45-Grad-Winkel abwärts, drückte, bis ich die Schambeinfuge gefunden hatte, und hakte zwei Finger darunter. Dort fand sich lauter harte, scharfe Haut, und darunter war ein strähniges, schmieriges Zeug. Leichenwachs. Ich ertastete schließlich, was sich wie die beiden richtigen Hautlappen anfühlte, wie getrocknete Geldbaumblätter, und schob die Finger durch einen Stopfen aus bröckeligem Adipocire in die Vagina. Arme Lady. Natürlich hatte ich so etwas auch schon bei der einen oder anderen,

Weitere Kostenlose Bücher