2012 – Das Ende aller Zeiten
Städte waren nach dieser Vorlage angelegt. Und wie in Jaipur gab es Prozessionen und Rituale und alles Mögliche, und wenn man sich aus einer Richtung zur anderen bewegte, bedeutete es das eine, und etwas anderes, wenn … Sie verstehen, was ich meine.«
»Ja, ich glaube schon.«
»Jede Sektion des Bretts oder der Stadt – das heißt, jede Himmelsrichtung – hat einen anderen herrschenden Gott, unterschiedliche Tage und Tageszeiten, sogar anderes Essen und so weiter. Und der Südwesten und Nordwesten stehen für die Erde und die Unterwelt, der Nordosten und Südosten für den Himmel und die Sterne. Und das Zentrum ist wie eine fünfte Himmelsrichtung.«
»Warum nicht sechs Himmelsrichtungen, wie bei hoch und runter?«
»Hoch und runter sind wieder etwas anderes. Sie hängen mit den anderen zweiundzwanzig Ebenen des Universums zusammen. Die Mittenrichtung ist nur so etwas wie: Sie sind hier. Aber vielleicht führt das ein bisschen zu weit …«
»Nein, nein«, sagte sie. »Nur weiter.«
»Die Himmelsrichtungen standen außerdem mit der Zeit in Verbindung. Der Osten ist die Zukunft, der Westen die Vergangenheit. Der Nordwesten ist in gewisser Weise weiblich, was die Maya als das Hypothetische ansahen, der Südosten männlich. Und sie betrachteten den Südosten als etwas, das ins Hier-und-Jetzt des Zentrums führte.« Sehe ich selbstsicher genug aus, fragte ich mich. Setz dich etwas gerader. Gut. Halt, nicht so gerade …
»Entschuldigen Sie, ich habe den Faden verloren«, sagte sie. »Was hatte das mit dem Namen der Stadt zu tun?«
»Nun, worauf ich hinauswill … die dritte Hieroglyphe ist nur eine Art stilisierter Minikarte des Zentrums einer typischen Maya-Stadt. Dort steht ›Kostbarer Treppenort‹, aber das heißt eigentlich nur Tempelbezirk.«
»Okay.«
»Und das Suffix bedeutet etwas wie ›der Sitz des K’atun‹. Was also in drei Tagen von nun an passiert, geschieht in einer Stadt, die grob in vier Farben unterteilt ist. Oder fünf, wenn man das Zentrum mitzählt. Und ihre Einwohner würden sie als den Mittelpunkt der Welt ansehen. Oder zumindest als das Zentrum von etwas Wichtigem.«
»Also ist es eine alte Maya-Stätte.«
»Nein, das glaube ich nicht. Ich vermute, dass sie irgendein zeremonielles Zentrum gemeint haben, das heute aktiv ist. Keine alte Ruine oder dergleichen. Weil in der Wortverbindung eine Matten-Hieroglyphe enthalten ist, die bedeutet: der Sitz des K’atun.«
»Was war das noch mal?«
»Eine Zwanzigjahresperiode im Sonnenkalender.«
»Ach ja.«
»Okay. Deshalb heißt ›der Sitz des K’atun‹, dass sie von der wichtigsten Stadt der nächsten beiden Jahrzehnte sprechen. Wie die Hauptstadt. Auf jeden Fall wäre es eine sehr wichtige Stadt, die im Augenblick auf dem Höhepunkt steht.«
»Okay, also meinen sie D . C . Das ist ein bisschen Furcht einflößend.«
»Na ja, vielleicht«, erwiderte ich. »Meiner Ansicht nach passt es aber gar nicht so gut zu Washington.«
»Wieso nicht?«
»Ich glaube, D . C . ist zu sehr eine normale Stadt. Dieses Wort bedeutet wirklich mehr als einen Tempeldistrikt. Eine Ritualstadt, keine Regierungsstadt. Eventuell wohnen dort nicht einmal Menschen. Man unternimmt Pilgerfahrten dorthin, um die Gunst einer wichtigen verstorbenen Person zu erhalten. Und auf dem Weg würde natürlich auch dafür geworben. Aber die Gebäude und Räume und alles im Zentrum dieser Stadt wären nur zu besonderen Anlässen bewohnt, während eines großen Festes oder dergleichen. Außerdem sind in Washington mit den einzelnen Vierteln keine besonderen Farben oder Zeiten assoziiert. Und überhaupt ist D . C . viel weiter nördlich, als es die Koordinaten nach Weiners Meinung vermuten lassen.«
»Okay«, sagte sie. »Also, was glauben Sie, was sie heißen?«
»Nun, es wäre ein Ort, an den viele Leute von überallher über weite Strecken anreisen, vielleicht zu einem bestimmten Punkt in ihrem Leben oder einem bestimmten Alter. Und wie ich schon sagte, es muss ein Ort mit einer Art heiliger Zone sein, in dieser Konfiguration. Mit Quadranten, die mit unterschiedlichen Richtungen in Zusammenhang stehen. Jede Richtung wäre mit einer anderen Farbe und einer anderen Zeit assoziiert.«
»Was vermuten Sie?«, fragte sie.
»Disney World.«
(8)
»Wie bitte?«, fragte Marena.
»Es ist mein Ernst«, sagte ich.
»Mensch, wir stehen hier praktisch in Disney World. Sie können Epcot von hier aus sehen.«
»Ja, ich hab ihn gesehen …«
»Ich habe da
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