2012- Die Rückkehr

Adrenalin durchströmt ihn wie ein Fluss …
    … als die Küche scheinbar strahlend hell wird und sich jede Bewegung zu einem Kriechen verlangsamt.
    Durch Wellen unsichtbarer Energie hindurch drückt er sich mühsam hoch, während er, noch immer gefesselt, das Gleichgewicht zu wahren versucht. Mit aller Kraft zerrt er an seinen Handschellen.
    Es ist sinnlos … ich kann mich nicht befreien!
    Er sieht seine Mutter an und hüpft ungeschickt auf sie zu, während Solomon Adasheks Kopf sich langsam in
seine Richtung dreht und seine Augenbrauen sich vor Überraschung heben.
    Jacob springt hoch und versetzt dem Mann mit aller Kraft zwei harte Tritte gegen die Brust, sodass Adashek mit dem Kopf voraus über den Küchentisch rutscht und auf den Boden kracht.
    Milchsäure erfüllt die Muskeln des Jungen, während er sich nach vorn zu seiner Mutter beugt und mit den Fingern seiner von Handschellen umschlossenen Hände an ihren Fesseln zerrt. Schließlich gelingt es ihm, das Klebeband zu zerreißen.
    Befreit springt Dominique aus ihrem Stuhl und reißt sich den Knebel vom Mund. Sie rennt zum Kaminsims und packt das Katana , das größere der beiden japanischen Schwerter, die dort auf ihrer Halterung ruhen.
    Jacob bricht auf dem Boden zusammen. Seine erschöpften Muskeln zittern, Schweiß bedeckt seinen Körper.
    Solomon Adashek schüttelt sich die Benommenheit aus dem Kopf. Er rollt sich über den Küchenboden ab und …
    … sieht auf zu Dominique Gabriel, die mit flammendem Blick über ihm steht.
    Das Katana hoch über den Kopf hebend, befiehlt sie mit rauer Stimme: »Jacob, sieh weg. Mommy will nicht, dass du das siehst.«
    Doch Jacob starrt hin, und seine azurblauen Augen weiten sich voller Begeisterung, als seine Mutter das Katana in einer wunderbar fließenden Bewegung nach unten führt und Solomon Adasheks Kopf mit einem einzigen wuchtigen Schlag vom Körper trennt.

TEIL 5
    JUGEND
    Man muss nichts im Leben fürchten, man muss es nur verstehen.
    MARIE CURIE
     
     
Disziplin ist die höchste Form von Intelligenz.
    ENNIS CHANEY

13
    SIEBEN JAHRE SPÄTER
    23. Oktober 2027
Das Anwesen der Gabriels
Longboat Key, Florida
     
    N och immer macht sich der von der Regierung beauftragte Psychiater Notizen auf seinem Smart-Pad. Seine Anwesenheit in ihrem Wohnzimmer ist Dominique mehr als nur ein bisschen unangenehm. »Fahren Sie fort, Mrs. Gabriel.«
    Dominiques Hand zittert, als sie sich das Haar hinter die Ohren streicht. »Jacob hält sich für Supermann, und ein paar seiner Trainer - Sie wissen schon, all diese Smiths und Jones von der CIA - bestärken ihn noch darin, glaube ich. Jakes Ego ist nicht mehr zu bändigen, und gnade Ihnen Gott, wenn Sie versuchen, ernsthaft mit ihm zu diskutieren, es sei denn, Sie wollen sich einen Vortrag über die Herren der Unterwelt und die Todesgötter der Maya anhören. Er zitiert endlose Abschnitte aus dem gottverdammten Popol Vuh . Xibalba dies und Xibalba das …«

    »Xibalba?« Dr. Shyam Tanna blickt von seinem Smart-Pad auf. »Was bitte ist Xibalba ?«
    »Die Unterwelt der Maya. Ein Ort, an den sein Vater seiner Meinung nach verbannt wurde. Das ist alles mein Fehler. Ich war so dumm und habe zugelassen, dass seine Tante Evelyn mich einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen hat. Ich hätte Jake nie das Tagebuch seines Großvaters geben und ihn diesen ganzen Maya-Hokuspokus lesen lassen sollen. Ich habe ein … Maya-Monster geschaffen.«
    »Mrs. Gabriel, obwohl Jacobs Fantasien auch mir Sorgen machen, bin ich heute vor allem deshalb gekommen, um mit Ihnen über den Intelligenzquotienten Ihres Sohnes zu sprechen. Zu sagen, dass er außerhalb der üblichen Skala liegt, wäre fast schon eine Beleidigung gegenüber Jacob.«
    »Ich weiß. Sein Gehirn ist wie ein Schwamm. Es nimmt einfach alles in sich auf.«
    »Daran zweifle ich nicht. Das Hunahpu-Gen beunruhigt uns allerdings am meisten. Gründliche Analysen der von diesem Gen betroffenen Chromosomen deuten darauf hin, dass Jacob besonders anfällig für eine extreme Form von Schizophrenie ist. Ich habe mir deshalb die Zeit genommen, die medizinischen Unterlagen seines Vaters anzusehen und …«
    »Mick war nicht schizophren!«
    »Zwei angesehene Institutionen haben bei ihm paranoide Schizophrenie diagnostiziert.«
    »Das war alles nur eine Intrige. Pierre Borgia wollte ihn für alle Zeiten wegsperren.«
    »Das mag sein. Aber Sie sollten die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sich bei Michael Gabriel erste Anzeichen einer Demenz bemerkbar