2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Steinbrocken, als Bewässerungskanäle und als Flutableiter dienten. Meine Füße fanden ganz von selbst einen der Hauptkanäle, und wir eilten »stromaufwärts«. Unsere Zehen klatschten auf dem schlammigen Boden. Die Bäume auf beiden Seiten gewährten uns ein wenig Sichtschutz, bis wir auf eine Lichtung mit einander kreuzenden Aquädukten kamen, wo vier gewaltige knollige Stelen der Wachenden Großen Väter der Ozelots sich in Scharlachrot, Smaragdgrün und Schwarz gegen den tiefkobaltblauen Himmel abhoben. Mittlerweile war es zu dunkel geworden, um noch richtig zu sehen. Ich prüfte rasch die Richtung und stieg aus dem Graben auf eine Milpa, auf der beinhoch Ringelblumen standen. Zwei große flugunfähige Vögel, Nandus oder so etwas, die der Ahau als Schoßtiere hielt, staksten blöde auf mich zu. Vielleicht erwarteten sie, dass ich sie fütterte. Verschwindet, dachte ich. Hinter einem Wäldchen im Süden humpelten zwei alte Ozelot-Gärtner davon, um den Alarm weiterzugeben.
Bewacht wirkte der Garten dennoch nicht. Ich nahm an, niemand außer den allerhöchsten Ozelots dachte auch nur im Entferntesten daran, jemals hierherzukommen. Mit Tabus kann man wirklich eine ganze Menge bewirken. Man geht einfach an Orte, bei denen jeder andere Angst hat, das schlechte Mojo könnte ihn grillen. Natürlich wird man irgendwann trotzdem erwischt, aber es dauert länger.
Ich erreichte die Zisterne. Sie war zu klein. Es konnte nicht die richtige sein. Das war nicht die eigentliche Quelle, nur ein kleinesZwischenreservoir, von denen es viele gab. Die Hauptversorgungsrinne strebte weiter nach oben der Ostseite von 1-Ozelots Berg zu.
Verdammt. Hier war alles viel komplizierter als auf Kohs dämlicher Karte.
Höher, bedeutete ich Hun Xoc und begann zu rennen. Mein rechter Fuß juckte. Ein merkwürdiger roter Vogel flog über meinen Kopf und verschwand vor uns im Laubwerk. Ich brauchte einen Augenblick, bis mir klar wurde, dass es ein lem-lem gewesen war, ein stachelbesetzter Wurfstock. Feinde auf sechs Uhr!
Wie weit noch?
Nach links. Um die Ecke eines Pfefferstrauchdickichts. Ich warf mich in den stachligen Graben. An einer Spitze des Streitkolbens an meiner linken Hand schnitt ich mir in den Daumen. Hun Xoc legte sich neben mir in die Nesseln. Wir keuchten beide zu sehr, um reden zu können. Ich schob mich durch die feuchten Stängel zu ihm und nahm seinen Arm. Einen Schlag lang legte ich meinen Kopf an seine Brust. Er griff nach unten in meinen wex – ich nehme an, das muss man mit Lendenschurz oder Lendentuch oder einem anderen albernen Begriff bezeichnen – und hielt meinen Penis fest, um mich zu beruhigen. Nur ein bisschen beiläufige militärische Homoerotik. Atmen, dachte ich.
Es können nicht so viele sein; einige von ihnen müssen die Harpyien-Standarte verfolgt haben.
Wie weit sind sie noch weg?
Wenigstens zwei Terrassen unter uns. Wir können es schaffen. Wir müssen außer Sicht bleiben. Sie brauchen noch zweihundert Schläge, um uns hier oben zu finden. Na ja, hundert auf jeden Fall. Die Burschen hatten dem Match nur zugeschaut; deshalb waren sie nicht mal außer Atem. Bis auf Smaragd-Sturmschritt, aber der entsprach nicht den natürlichen Maßstäben. Ich konnte nicht anders, ich musste mein Bein anziehen und kratzte mich am Fuß. Irgendetwas war damit.
Mein Fuß spürte meine Finger nicht. Und als meine Hand den Fuß spürte, fühlte er sich zu groß an.
»Ich habe einen Stich«, sagte ich, »im männlichen Fuß.«
Hun Xoc ließ meinen kleinen Jed los und nahm den Fuß in dieHände. Ich spürte, wie er mit einem Muschelschalenmesser den Pfeil aus der angeschwollenen Wunde grub, doch das Gefühl kam aus weiter Ferne. Ich hörte, wie er saugte und ausspie. Eine zeitlose Fertigkeit, zu spät allerdings.
Ich bin erledigt, dachte ich. Ich bin über dem Limit. TILT , GAME OVER , WERFEN SIE EINEN VIERTELDOLLAR EIN FÜR NOCH EIN SPIEL , 12, 11, 10, 9, 0.
Hun Xoc rieb Erde in die Wunde, um die Blutung zu stillen. Er glitt vor mich, hielt mir seinen Fuß hin, damit ich ihn packte, und zog mich nach Süden durch den kiesigen Graben hügelabwärts. Ich bemerkte, dass ich noch nicht tot war. Es war, als wäre man high und guckt auf die Uhr, weil man denkt, egal, wo man ist, man ist schon seit Tagen da und verspätet sich, dabei sind erst fünf Minuten vergangen.
Wir gehen in die falsche Richtung, signalisierte ich Hun Xoc. Du gehst dorthin nach unten. Ich gehe dorthin nach oben.
Ich schob ein Auge über den
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