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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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aus dem Mund.
    Ich sei nach Süden gerannt, den Weg entlang zum Gelben Tor, antwortete Hun Xoc. Dort hätten mich Verräter aus der Schnupfer-Sippe erwartet. Sie hätten mich nach Kaminaljuyu schmuggeln wollen.
    Holla, dachte ich.
    Hun Xoc hatte begriffen, dass ich es auf den Brunnen abgesehen hatte. Vielleicht wusste er von dem Erdsternstaub, oder er sagte sich, dass etwas im Busche war.
    Wie auch immer, er log für mich. Das war ohne Beispiel.
    Selbst ich war geschockt. Sich seinem Vater zu widersetzen stellte nicht nur individuellen Ungehorsam dar, es beschädigte unwiderruflich das ewige Uay der ganzen Familie. Das war ein starkes Stück.
    »Bitte enthaupte mich«, sagte ich unter einem Ansturm von Resignation. Unnötig, weiter flapsig zu sein. Bringen wir es nur hinter uns. Aber sagen wir ihm bloß nichts. »Ich weiß überhaupt nichts. Opfere mich nur. Mach mich heilig.«
    Hun Xoc sah mich aus eingesunkenen Augen in seinem stählernen Kampfgesicht an. Sie hatten diesen Ausdruck, der sagte: Erzähl ihm nichts, egal was. Ich signalisierte mit meinem verbliebenen Auge: Einverstanden.
    Und für eine ganze Weile war es das. Vielleicht verabreichten sie mir noch einmal Chilifäden. Ich kann nicht sofort bewusstlos geworden sein, aber wann immer es geschah, ich muss unmittelbar vorher das Zeitgefühl verloren haben.



(46)
    Als mir klar wurde, dass ich wieder wach war, brauchte ich eine Weile, ehe ich mich erinnerte, wo ich mich befand, denn zuerst glaubte ich, ich wäre wieder in dem Krankenhaus in San Cristóbal Verapaz, wo ich gelegen hatte, als meine Eltern ermordet wurden. Ich war getränkt mit Gallonen Urin und dieser unerschütterlichen Verzweiflung, in der man nicht einmal mehr weiß, was Verzweiflung überhaupt ist. An den Geruch werde ich mich immer erinnern, wenigstens einmal pro Minute zwischen jetzt und ewig. Jedenfalls, irgendwann wurde mir klar, dass ich kein fantasierender kleiner Junge mehr war, sondern mich tatsächlich in dieser ungewöhnlichen Situation befand, und dass ich in keinem Betonziegelbau lag oder unter der Erde oder so etwas, sondern dass ich mit verbundenen Augen in einem Gefangenenkorb hockte, der in einer Reihe hing wie ein Hühnerkäfig in einer Eierfabrik. Es war stickig, aber über mir befand sich ein Lüftungsschacht. Irgendwann wurde ich gewahr, dass Hun Xoc in der Nähe war. Wir identifizierten uns jedoch nur mit den üblichen Entschuldigungen und Bekundungen, alles wäre in Ordnung, und sagten sonst nichts. Sie hofften immer noch, dass wir reden würden. Idioten, dachte ich, natürlich werde ich nichts sagen. Ich würde selbst dann nichts sagen, wenn wir mitten in einer Wüste für ein Jahr zusammengebunden wären und ich sicher sein könnte, dass niemand lauscht. Wir arbeiteten ein Schema aus, um abwechselnd Schläge zu zählen, damit wir wussten, wie viel Zeit verging. Meine etwa acht Stunden langen Schichten lagen von dem Zeitpunkt, bei dem wir den Sonnenaufgang vermuteten, bis Mittag, und von Sonnenuntergang bis Mitternacht. Manchmal wurde ich es müde, die Zeit mit Maya-Schlägen zu messen, und tat es, indem ich die B-Seite von Abbey Road , dem Beatles-Album, immer wieder im Kopf abspielte. Sie ist 19,2 Minuten lang und so leicht zu summenwie Happy Birthday ; man kann damit die Zeit messen und trotzdem über alles nachdenken, worüber man nachdenken will. Vielleicht sind wir noch jahrelang hier, dachte ich. Vielleicht hat 2 JS begriffen, was los ist, und wir werden hier gelagert, bis wir zusammenbrechen. Oder auch nicht. Zwanzig Jahre sind gut 547 500 Abbey-Road- B-Seiten.
    Wenn ich nicht an der Reihe war, Uhr zu spielen, dämmerte ich vor mich hin. Wenn man ein gefesselter Häftling ist, kommt man an den Punkt, wo man nicht mehr schlafen kann, weil es zu unbequem ist, also nickt man ein und fährt irgendwann wieder hoch. Nach ungefähr sechsundzwanzig Stunden Haft drang auf einer Seite meines Verbandes Fackellicht ein, und jemand zog unsere Köpfe hoch und flößte uns Wasser ein. Wahrscheinlich das Kicherwasser, dachte ich. Ist doch egal. Wir werden’s schon merken. Die Wächter wechselten unsere Fesseln nicht, sie lösten sie nicht einmal. Mittlerweile glaubte ich schon spüren zu können, wo der Spion war: Er stand etwa eine halbe Seillänge hinter uns. Ganz gleich, wie still er hielt, man lernte, seine Atemzüge von dem Wind zu unterscheiden, der draußen wehte. Nach dreißig Stunden begannen die Fliegen zu stechen. Wenigstens konzentrierten sie sich aus irgendeinem

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