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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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höher, je tiefer er fiel, und setzte schließlich in einem hohen Bogen in die Menge; dann tupfte er von einem Glücklichen zum anderen kreuz und quer über den Zócalo.
    Pitzomob pay-ee , dachte ich. Lasst die Spiele beginnen. Ich gab das Zeichen, dass Kohs Eskorte sie herausbringen sollte. Erneut erhob sich das Fauchen von der Sternenrassler-Mul. Wieder glitt die Schlange die Stufen hinunter. Die Menge darunter wich zur Seite. Der Eingang der Mul, jüngst als gewaltiges Maul des Sternenrasslers neu gestaltet, erbrach-gebar eine große blaue Schachtel in Eiform und schlug mit der Rassel dagegen. Das Ei zerbarst, und Koh trat mit dem Kopf zuerst heraus wie ein Baby, angetan in einer Kutte aus metallisch-grünen Käferpanzern, angeordnet als Himmelskarte auf einer Manta, die aus den Häuten von vierhundert schwarzen Leguanen genäht war.



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    Doppelt so groß wie in Wirklichkeit und von zwei Zwergen getragen, die sich unter ihrem langen Sternenschuppenrock versteckten, schwebte sie die Stufen zu mir hinauf. Vier Dienerinnen folgten ihr in zwei Schritten Abstand. Es war ein wenig irregulär, dass sie hier auftauchte, und die Älteren würden darüber murren. Doch da die Geschenke abgeliefert waren, konnten Frauen den heiligen Boden betreten, ohne etwas zu verunreinigen. Hier wird sich sowieso einiges ändern, dachte ich. Sisters Are Doing It For Themselves .
    Ich stellte meine Plateausandalen wieder auf die scharfe Kante der Schwelle und wäre beinahe nach vorn gestürzt. In dem Rauch und dem amethystfarbenen Zwielicht wirkte alles näher, als es war, sogar für mich mit meiner auf null gesetzten räumlichen Wahrnehmung. Neue Harpyien-Flieger hatten die Pfähle erklommen und kreiselten nach unten, und die Ozelots tanzten durch die kostümierten Feiernden, sich wiegend, beinahe stürzend, großspurig und schwungvoll, ungehemmt und gleichzeitig vollkommen beherrscht. Hier ging es nicht zu wie in einer Disco oder dergleichen, denn tatsächlich sollten nur die alten Männer wirklich tanzen, während die anderen nur auf der Stelle hüpften. Doch der richtige Rhythmus durchlief alles. Wie sehr es sich von der strengen, drögen Vigilie in Teotihuacán unterschied. Man hatte den Eindruck eines Neuanfangs. Viele Zuschauer und Tänzer verfielen in eine orgiastische Trance und wiegten sich dennoch ganz im gleichen gemütlichen Beat. Mit dem Gemeinschaftsgefühl eines Stammes lässt sich einfach nichts vergleichen. Während ich zusah, verschwanden die groben Kanten der Künstlichkeit, und ich vergaß die Beine der Schlange oder die Seile, von denen die Flieger in der Luft gehalten wurden. Die Masken der Feiernden verschmolzen mit ihrem Fleisch und pulsierten, zeigten Mienenspiel und schnittenGrimassen. Ich spürte, wie mein Lächeln zu den Schuppen meiner Jademaske durchdrang und alles sich vermischte. Die Rückenaufbauten der Tänzer entfalteten sich zu prunkvollem Balzgefieder; wie Moschuswolken stieg die Macht der Götter von ihnen auf. Es war keine Zeremonie, sondern ein tatsächliches Ereignis: Götter kickten die Welt irgendwohin, weil es ihnen Spaß machte – vor langer Zeit schon, jetzt und demnächst wieder. Es war ein kindliches Gefühl; zugleich empfand ich das bittersüße Entzücken, Teil eines Wirs zu sein, das berauschend und großartig war, voller Hoffnung und Leben. Ich krümmte mich vor Liebe innerlich zusammen und spürte, wie Tränen meine Gesichtspolsterung tränkten. Sicher, es klingt schnulzig, aber was einen dabei so sehr berührt, ist die Erkenntnis, wie sehr wir Menschen einander lieben könnten. Die Menschen des 21. Jahrhunderts haben nie wirklich gelebt. Man muss sich ins Leben stürzen, man muss dem Faden folgen, wo sich die Intensitätskurven von Sex und Gewalt, Lust und Schmerz, Ichbezogenheit und Sichverlieren schneiden, bis an den Punkt der Heiterkeit, dem Nur-da-Sein, dem reinen zweifelsfreien Zustand mit dem Leben als einzigem Ziel, wie er Insekten ausmacht. Wer nicht wenigstens einmal dorthin gelangt ist, hat das Meer immer nur durch eine Glasscheibe betrachtet und sich nie in die Fluten gestürzt. Wenigstens erschien es mir damals so.
    Koh stieg vor mir in die Höhe. Unsichtbare breiteten die alte Großmatte am Rand der Plattform aus. Ich trat vor und ließ mich so langsam darauf nieder, dass es mehr als eine Minute dauerte. Mein Gesicht zeigte nach Norden, und wenn ich mir über die linke Schulter blickte, sah ich die schwindelerregend abschüssige Treppe und den gesamten aufgewühlten

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