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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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immer sie auch war, und dann änderte sie ständig ihre Gestalt und wich vor mir zurück.
    »Irgendetwas muss ich tun«, sagte ich.
    »Du müsstest in deiner eigenen Zeit spielen«, sagte sie.
    »Aber ich weiß nicht, wie.«
    »Du weißt genug«, entgegnete sie. »Spiel es nur näher am Rand.«
    »Ich weiß überhaupt nichts«, sagte ich, »die Position ist schlecht. Der Läufer saß in der Ödnis gefangen, und man konnte nicht weiterspielen.«
    »Wenn ich dir zeige, wie man aus dieser Position heraus gewinnt, hörst du dann auf, wenn du in der Nachwelt spielst und siehst, dass es falsch ist?«
    »Ja«, versprach ich.
    »Du wirst das Spiel abbrechen und deine Welt enden lassen?«
    »Gemahlin-Schwester-Vater-Mutter-Tochter«, sagte ich,
    »Ahau-na Koh, akzeptiere deinen Blut-Zwilling. Bitte.«
    Koh zögerte einen Augenblick, schöpfte eine Handvoll Sterne von der Straße, ließ einige davon durch die Finger rinnen wie Maiskörner und warf sie dann über die Welt, die reale Welt, die nun ihr Spielbrettwar. Es war kein Globus, sondern ein flaches Quadrat, aber irgendwie stellte es trotzdem die ganze Welt genauestens dar; ich konnte unter dem wirbelnden Wolkendunst Kontinente sehen, das südliche Afrika und Australien. Die Sternenkristalle hüpften über die Fläche und landeten in der letzten Position des Stadtspiels, und Koh setzte den Sonnenträger als Läufer, der im äußersten Nordwesten gefangen saß.
    »Und wenn du siehst, was geschehen wird«, sagte sie,
    »Und wenn es richtig ist, dann spielst du es aus. Wenn nicht,
    Führst du den Läufer zum Rand und springst.«
    Das Wort, das sie für »richtig« benutzte, oder vielmehr das lautlose Wort, das ich verstand, lässt sich vielleicht ein wenig besser durch »angemessen« oder »unvermeidlich« wiedergeben, war aber stärker. Es entsprach nicht nur: »Tu, was richtig ist«, sondern eher: »Versau nicht das ganze Programm.«
    Ich fragte sie, wie ich entscheiden sollte, was richtig sei. Sie sagte, ich müsse dabei als Schiedsrichter fungieren, doch es sollte mir leichtfallen. Wieder versprach ich zu tun, was sie sagte. Sie blickte mich an und nahm die vier äußersten Ecken des quadratischen Spielbretts, zwei in jede Hand, als wäre die Welt eine Karte auf einem Quadrat aus steifem Stoff, und faltete sie über das Zentrum. Die Ecken trafen sich über der Mitte und bildeten eine Pyramide.
    »Die äußersten Ecken sind alle gleich«, sagte Koh.
    Ich fühlte mich, wie Immanuel Kant sich gefühlt haben muss, als ihm der Verdacht kam, die Milchstraße könnte der perspektivisch verkürzte Teil einer Galaxie sein, und plötzlich war das Universum für ihn größer als je für einen Menschen zuvor. Auch wenn er natürlich von allein auf die Idee gekommen war.
    Also war das Brett eine Matte und damit flexibel. Die Mulob’ waren die gleiche Karte, konvex zu Pyramiden gefaltet – eine Bergfalte, wie man beim Origami sagt –, und die Ballspielfelder waren die gleiche Karte, konkav gefaltet – eine Talfalte. Selbst die Erdkugel hatte etwas mit der gleichen Karte zu tun; sie war irgendwie auf sich selbst zurückgefaltet, ein Torus, der die Innenfläche einer Kugel darstellte. Ich erhaschte einen kurzen Einblick, wie die Farben und Richtung und Tendenzen und Zyklen zusammenhingen und inwiefern das Opferspiel nichts Absolutes war, sondern nur die Visualisierung einer Tendenz im Universum, in eine Form gebracht, die ein Mensch halbwegs begreifen konnte, so wie das dreidimensionale Modell eines vierdimensionalen Festkörpers. Nun ließ sich leicht erkennen, wie der Läufer entkommen konnte, indem er von der Ecke sprang, in die er getrieben worden war. Danach konnte er ziehen, wohin er wollte. Allerdings glaubte ich, noch etwas anderes zu sehen, keine Idee, nur ein Gefühl …
    Und dann war es wieder weg. Wie der achte Zug im Voraus bei einem Schachspiel war es zu viel für mein Erbsenhirn. Ich kannte das zugrunde liegende Prinzip nun einmal nicht. Es war, als blickte ich auf einen Querschnitt aus dem Leib einer Schlange und versuchte daraus zu schlussfolgern, wie ihr Kopf aussah.
    Ich nehme nicht gerade viel mit zurück, dachte ich. Nur einen Trick.
    »Selbst von hier aus sehe ich es nur trüb«, sagte Koh. »Aber ich sehe dich neben ihm.« An dieser Stelle muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Maya-Sprachen keinen Genus für Personalpronomen kennen und Koh daher sowohl »ihm« als auch »ihr« meinen konnte. »Es ist jemand, den du kennst, dessen Gesicht du aber

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