2016 - Die Einsamen der Zeit
hatte, dieses Manko durch seine KronenfunkKontakte auszugleichen.
La-Pharoke hatte Ru Ri-Garriott nicht nur einmal gefragt, weshalb sie nicht selbst für das höchste Amt der Galaktischen Krone kandidierte.
Ihre Antwort war stets die gleiche gewesen: „Weil dein Zorn weiter trägt. Und weil du der Mann bist, der den Morgen macht."
Neben der Kristallorgel schoben sich Fanfarentulpen aus dem pflanzenplastischen Rankenwerk, die erst leise, dann lauter den Beginn des Konvents ankündigten. Holoprojektoren zauberten einen mächtigen Baumstamm vor die Stirnwand, und unter der Decke des Konventsaals baute sich eine Projektion des Sternenmeers von Segafrendo auf.
Die beiden Projektionen wuchsen zusammen: Während der Baumstamm scheinbar Äste und Zweige trieb, verwandelten sich die Sterne in funkelnde Blätter, hinter denen als feines, nebeliges Gespinst das Dreieck der ESTARTU zu erkennen war.
Zeiban Vit-Terous verließ die Prinzipalsloge, stakste mit seinem reichverzierten Zepterstock zur Rednerkanzel und sagte mit heiserer, von Akustikfeldern verstärkter Stimme: „Ich, Zeiban Vit-Terous, Wahrer Künstler und Galaktischer Prinzipal, eröffne den 101. Konvent der Galaktischen Krone. Seid willkommen! Der Disput möge beginnen!"
Das war alles. Zeiban Vit-Terous glättete mit einer fahrigen Geste seinen goldfarbenen Zeremonialchiton und kehrte in scheinbarer Bescheidenheit auf seinen formenergetischen Thron zurück.
Die große Versammlung der Kronenvölker war keineswegs nur zusammengetreten, um einen neuen Prinzipal zu wählen oder den alten zu bestätigen.
Sie sollte richtungweisende Entscheidungen für ganz Segafrendo treffen. Sie sollte einen Weg in die Zukunft weisen einen Ausweg.
Aber bereits die ersten Delegierten, die in die Rednermuschel traten, machten La-Pharoke klar, daß der Konvent hauptsächlich eines sein würde: ein Beschwichtigungsritual. Kollektiv zelebrierte Schönfärberei.
Was Zeiban Vit-Terous als „Disput" angekündigt hatte, begann mit einer Reihe teils sehr knapper, teils ermüdend langer „Berichte zur Lage der Krone", vorgetragen von Kronefen, Verwysen, Lord-Eunuchen und den Repräsentanten der anderen Kronenvölker. Die tharoidonischen Abgeordneten aus der Kaste der Wahren Künstler ergingen sich in Lobhudeleien über den amtierenden Prinzipal und streiften die katastrophale militärische Lage nur am Rand. Sie gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, die überlegene Kunst und Kultur des ersten Kronenvolkes werde schlußendlich auch den Mundänen die Sinnlosigkeit ihres Tuns vor Augen führen und sie zum Einlenken hin zu einer friedlichen Koexistenz bewegen.
Es ist grotesk! dachte La-Pharoke. Glauben diese weltfremden Philartisten allen Ernstes, daß auch nur ein einziger Mundäne seinen Nuklearbrenner beiseite wirft, wenn er eines ihrer Meisterwerke zu Gesicht bekommt?
Schließlich währte der Krieg nun seit 11.414 Segaf was beinahe vier Tharoidoner-Generationen entsprach. Und nichts, nicht die Sphärenrosen der Josminen, nicht die einst mächtigen Kronenflotten und schon gar nicht die ganze Sonnensysteme umspannenden Stellarkunstwerke der Vergangenheit, hatte die Mundänen in ihrem Eroberungsfeldzug stoppen können.
Im Gegenteil: Wenn ein Mundäne ein Kunstwerk sah, drückte er ab...
Weniger schönredend, dafür von Ratlosigkeit und Resignation bestimmt waren die Wortmeldungen der Serimer. Die meisten ihrer Redner sahen die galaktopolitische Großlage, wie sie war, hatten aber keine Vorschläge zu ihrer Änderung anzubieten. Die kurzlebigen Serimer und SerimerAbkömmlinge, deren entfernteste Urahnen bereits unter der Geißel der Mundänen gelitten hatten, teilten zwar nicht die „Augen zu"- Einstellung der tharoidonischen Oberschicht, standen der galaxisweiten Katastrophe aber genauso hilflos gegenüber.
Besonders erschüttert war La-Pharoke vom Bericht der SchmetterlingsSerimer von Murgoro über die totale Auslöschung ihres Puppenmondes durch eine mundänische Kriegsflotte. Für die aus dem Halo Segafrendos stammende HybridZivilisation aus Serimoiden und Raupenartigen bedeutete der verheerende Angriff das unabwendbare Ende.
Und immer wieder, zwischen all den Berichten über Flüchtlingsbewegungen, die als „geordneter Rückzug" bezeichnet wurden, über „Kommunikationsschwierigkeiten" mit abgelegenen Kronenwelten, über „vorübergehende Versorgungsengpässe" und „taktisch bedingte" Evakuierungen ganzer Sternenhaufen, tauchte ein Name auf: ESTARTU.
ESTARTU, die sorgende
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