2.02 Der fluesternde Riese

Titel: 2.02 Der fluesternde Riese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek

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die Hand. „Das Spiel ist vorbei.“
    Ich schaute ihn an.
    „Es ist aus und vorbei!“ Er nahm meine Hand gegen meinen ausdrücklichen Willen. Ich wollte sie wegziehen, doch er hielt sie fest.
    „Was meinst du damit?“, fragte ich brüchig und heiser.
    Da zog er mich hoch.
    „Alles ist aus!“, antwortete er kalt und gefühllos. „Es ist keiner mehr da. Du bist der Letzte.“
    Ich schaute mich um. Ich sah die Hexe und Billi, der gerade den letzten seiner Mäntel anzog. Ich sah meinen Vater, Hadschi, Edgar und den Vater von Maxi. Der richtete sich gerade die steife Krawatte, als wäre sie der größte Pokal. Der Beweis seines Sieges.
    „Und jetzt wird es Zeit, dass du auch verschwindest. Ich will dich nie wiedersehen“, sagte Willi und verurteilte mich damit zum Tod. „Hau ab!“, zischte er, und bevor ich die Bedeutung seiner Worte begriff, sprang ich auf mein Fahrrad und raste nach Haus.

OSTEREISZEITALPTRAUMNACHT
    Ich raste auf meinem BMX-Motocross-Fahrrad vom Teufelstopf durch die Stadt, als wären Monster hinter mir her.
    „Hau ab! Verschwinde! Ich will dich nie wieder sehen!“
    Willis Worte pochten hinter meinen Schläfen, und immer wieder hörte ich Markus, der fragte:
    „Warum machen wir das?“
    Ich sah ihn, wie er hinter dem Lenker des Bäckerrad-Seifenkisten-Flaggschiffs saß und mit uns zusammen in den Teufelstopf schaute, wo Willis Mannschaft auf uns wartete: „Wir müssen das nicht. Wir spielen seit gestern in Donnerschlag .“
    Und dann sah ich Juli. Der fauchte: „Genau! Was interessiert es uns da noch, was die von uns denken?“
    „Kommt, lasst uns verschwinden!“, rief Nerv, der neben ihm auf dem Beiwagen stand.
    „Ja, hauen wir ab!“, riefen Raban und Leon und schoben schon ihre Räder zurück. „Das sind doch nur blöde Erwachsene!“
    Krumpelkrautrüben, sie wollten gehen. Sie wollten uns retten. Doch ich war ein Klugscheißer und hielt sie zurück.
    „Dann sind wir das auch: Blöd und erwachsen“, sagte ich Dämlack und ignorierte die warnenden Blicke der anderen. „Ich meine, deshalb seid ihr doch alle gekommen. Ihr wollt ihnen beweisen, dass wir genau das sind: endlich erwachsen. Und das schon mit acht.“ Ich nahm Nerv ins Visier. „Das hast du ihnen doch gestern gesagt!“
    Verflixt. Ich sah mich das sagen und heulte dabei, wie mein Hund Socke heult: vor Scham und vor Reue: Warum hatte ich nur so einen Blödsinn gequatscht? Wenn wir gefahren wären, gäbe es uns noch. Oh verflucht, Markus, du hattest recht: Wir spielen in Donnerschlag . Ja, wir brauchen das nicht.
    Ich raste durchs Tor in unsere Einfahrt. Ich sprang aus dem Sattel. Ich sah, wie mein Fahrrad gegen das Garagentor krachte. Doch das war mir egal. Ich musste zu Leon, und obwohl er es mir unter Todesandrohung verboten hatte, ungefragt in sein Zimmer zu kommen, stieß ich die Tür auf und rannte hinein.
    „Leon! Das da gerade ist gar nicht passiert. Das Spiel war ein Witz. Es war Killefitt, hörst du. Es hat gar nicht …“ ‚Stattgefunden’, wollte ich sagen, doch das Wort erstickte in meinem Mund.
    Ich sah Leons Trikot an die Schrankwand gepinnt, und darüber hatte er einen Clownskopf gemalt. Einen weinenden Clownskopf. Denn dort an der Stelle, an der als Zeichen unserer Herzen das Monstermaul fauchte, klaffte ein dunkles und rußiges Loch. Leon hatte das Logo der Kerle aus dem Trikot gebrannt, und als ich ihn auf dem Bett entdeckte, auf dem er wie tot lag und die Decke anstarrte, sagte er leise:
    „Doch, Marlon. Es hat stattgefunden.“
    Ich sah die Tränen auf seinen Wangen, und ich wollte ihn trösten. Ich wollte ihm widersprechen. Doch er kam mir zuvor:
    „Raus!“, sagte er. „Marlon, hau ab! Du hast schon viel zu viel angerichtet.“
    Ich floh in mein Zimmer. Ich vergrub mich im Bett. Ich wollte nur noch vergessen und schlafen und stürzte stattdessen in den nächsten Alptraum. Ich weiß nicht, ob ihr das jetzt alles versteht. Ob ihr das auch kennt: wenn man weiß, dass man träumt, und trotzdem nicht schläft. Wenn man diese Angst und Panik verspürt. Diese Angst davor, dass man wach ist und nicht mehr aufwachen kann. Denn das heißt nichts anderes, als der Alptraum ist echt. Es ist alles wahr und passiert in Wirklichkeit.
    WIR WAREN DIE BESTEN!
    Das stand klipp und klar fest, und das Spiel, das wir gerade verloren hatten, war so unfair und ungerecht gewesen, dass man es gar nicht ernst nehmen durfte. Es war nur ein Milbenfurz. Ein Einzeller-Rülpser. Das war so, als würde jemand am anderen