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2.02 Der fluesternde Riese

2.02 Der fluesternde Riese

Titel: 2.02 Der fluesternde Riese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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    „Wunderwind-wirbliger-Augenblick!“
    Ich nutzte den Schwung der Steilwand aus, sprang hinter ihr her, rollte am anderen Ende aus und kam in einer eine Wolke aus Dreck aufwirbelnden Drehung neben Vanessa in den Stand.
    „Hi!“, grinste ich. „Ich kann es noch immer.“
    „Wir sind ja noch letzten Sonntag zusammen gefahren!“, grinste sie auch.
    „Aber mir kommt es vor, als wär es vor ganz vielen Jahren gewesen.“ Ich schaute sie an, und obwohl ich immer noch lächelte, spürte sie doch den Ernst meiner Worte.
    „Mir geht es genauso“, bestätigte sie wie ich lächelnd und ernst. „Und das liegt wohl daran, dass so viel passiert ist.“
    „Ja, die Wölfe und Donnerschlag und dann das Spiel gegen Willi.“
    Sie hob eine Braue, als verstünde sie nicht.
    „Oh, da warst du ja gar nicht mehr dabei. Wir haben gegen Willi und die Ur-Wilden-Kerle gespielt. Wir haben ein neues Logo und Trikot entworfen. Wir bauen Camelot 3 und den Teufelstopf auf. Wir haben einen neuen Schwur und neue Spielerverträge und …“
    „Hey, hey, das reicht“, unterbrach mich Vanessa. „Hol erst einmal Luft, und dann kannst du mir sagen, dass ihr jetzt wieder wie früher seid: die wildeste Fußballmannschaft der Welt.“
    „Ja!“, strahlte ich glücklich. „So ist es, genau! Und wir werden noch wilder, wenn du zu uns kommst.“
    „Nach Camelot 3 und den neuen Spielerverträgen?“, fragte Vanessa, und ich zog schon mein Notizbuch aus der Jackentasche.
    „Ich habe für dich ein Trikot entworfen. Eine Piratenfußballuniform.“ Ich zeigte ihr meinen kühnen Entwurf. „So würde Honky Tonk Hannah spielen.“
    „Aber das bin ich nicht!“, grinste sie etwas verlegen. „Ich heiße Vanessa. Ja, Vanessa, die Unerschrockene, und die Zeit der Piraten ist leider vorbei.“
    „Ja, leider!“, rief ich, „Aber deshalb gibt es ja uns. Die Kerle, die wild sind! Komm, lass uns fahren. Wir sind die neuen Piraten, hörst du?“
    Und als hätte ich Angst, dass sie noch etwas sagte, etwas, das wieder verlegen klang, raste ich los und den Berghang hinauf. Sie folgte mir bissig, und spätestens, als wir zum dritten Mal durch die Diagonale sprangen, beim neunten Sprung in sechs Metern Höhe, als wir mit den Köpfen über den Baumkronen schwebten und ich in ihre schwarzen Augen sah, war alles wieder so wie früher.
    Deshalb rollte ich danach nicht mehr aus. Ich nahm den Schwung aus dem letzten Sprung mit und sauste die Uferböschung hinauf Richtung Stadt.
    „Dann sehen wir uns!“, rief ich zu ihr zurück, und ich fühlte mich dabei so stark und so cool, als ich, ohne auf ihre Antwort zu warten, aus ihren Augen verschwand.

ERWACHSENE DREIZEHN
    Als ich auf meinem Motocross-BMX immer noch stolz und cool in den Teufelstopf fuhr, warteten dort bereits die anderen auf mich. Sie hockten auf dem Boden und schauten mich an, als hätten sie alle beim Elfmeterschießen in einem Fußballweltmeisterschafts-Endspiel den entscheidenden Strafstoß vergeigt.
    Zuerst dachte ich, dass es daran liegen musste, dass sie nicht wie ich mit Vanessa über die Wipfel der Bäume geflogen waren. Dass sie stattdessen, wie Leon, zu lange geschlafen hatten und die Müdigkeit jetzt nicht mehr aus ihren Knochen verschwinden wollte. Sie wirkten, als trügen sie Kleider aus Blei. Als hätten sie gestern nicht einen, sondern gleich drei Marathonläufe gemacht, und sie starrten nur missmutig auf ihre kraftlosen Füße.
    „Hey, ihr seht aus, als wäre Fußball ab heute polizeilich verboten!“, grinste ich frech.
    Da strafte mich Raban mit einem Blick, der so müde, zermürbt und zerknittert war, dass selbst seine fingerdicken Brillengläser Falten zu werfen drohten. Er hatte eindeutig nicht geschlafen.
    „Polizeilich verboten!“, gab er mir einen Rüffel, „So hätten wir es vielleicht früher genannt, als wir noch Kinder waren. Doch jetzt sind wir groß. So groß, dass wir Willi ja nicht mehr brauchen. Oder Hadschi und Billi.“ Sein Blick wurde zornig und vorwurfsvoll. „Deshalb hast du sie weggejagt und ihnen erzählt, dass wir Rom und New York … Halt! Nein! Das reicht noch nicht aus! … Du hast ihnen gesagt, dass wir die ganze Welt wieder aufbauen wollen, und das ganz allein und doppelt so groß.“
    Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als hätte Raban mir eben erklärt, dass ein gedoppeltes Nilpferd das absolute Gegenteil von einer rosa Schultüte wäre. Ich kapierte kein Wort von dem, was er quatschte.

    „Kannst du das auch auf Chinesisch sagen?“,

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