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2.02 Der fluesternde Riese

2.02 Der fluesternde Riese

Titel: 2.02 Der fluesternde Riese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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versuchte ich noch einmal lustig zu sein.
    „Aber gerne doch“, blaffte Raban zurück. „Denn während ihr heute Nacht geschlafen habt, hab ich mal gerechnet. Ich habe versucht herauszufinden, wie teuer es ist, wenn man ein Baumhaus hinter Stromschnellen baut. Wenn man seinen halb verfallenen Bolzplatz in ein Fußballstadion aus einem Science-Fiction-Computerspiel verwandeln will, und wenn man dazu noch Trikots entwirft, die selbst einen so stylishen Kerl wie David Beckham vor Neid erblassen lassen würden.“
    „Ja und?“, trotzte ich. „Und was kam dabei heraus?“
    „Das sag’ ich dir gern. Ohne die Hilfe von Willi oder Hadschi ben Hadschi und dessen kostbaren Schätzen aus seiner Geheimerfinderwerkstatt kostet uns alles zusammen stolze 6537 Euro.“
    „Sechstausend was?“, verschluckte ich mich.
    „Du hast richtig gehört!“ Rabans Stimme klang jetzt rasiermesserklingen-eisig-scharf. „Und den Einzigen, der so viel Geld zum Verleihen hat, den Vater von Maxi, hast du ebenfalls in die Wüste geschickt. Du brauchst ihn ja nicht. Du brauchst keine Bank. Du bist ja mit dreizehn schon richtig erwachsen, und jetzt stehen wir da wie aufgeblasene Windbeutel, die kurz vor dem Platzen sind. Wie Schaumschläger, Großmäuler und Dampfplauderer …“
    Ihm versagte die Sprache. So schämte er sich. Er und die anderen, die neben mir saßen. Und ich schämte mich auch.
    Ich hatte uns alle zu Tigern gemacht. Zu ganz stolzen Tigern und Löwen und Panthern. Doch jetzt waren wir aufgewacht und im Fernsehen gelandet. Und die ganze Welt sah, wer wir in Wirklichkeit waren: acht krummbeinige Kreuzungen aus Qualle und Dackel. Ein Quackel, ein Fake halt, ein ganz schlechter Witz.
    Doch ich wollte kein Witz sein.
    Ich stellte mir vor, dass mich Vanessa als Quackel sah. Nein, dass sie mich schon so gesehen hatte, als ich gerade eben mit ihr im Bombentrichter über die Baumwipfel gesprungen war. Ich erinnerte mich an ihren verlegenen Blick und meine Angst vor ihrer Antwort, als ich vor ihr floh. Ja, wenn ich ehrlich war, war ich einfach nur abgehauen, weil ich die Wahrheit nicht hören wollte:
    „Ich spiel’ nicht mehr unter Quackeln!“ Das hätte sie mir gesagt. „Machs gut, Quackel Marlon! Träum weiter vom Löwen, vom Baumhaus im See und einem Science-Fiction-Bolzplatz!“
    Ich schniefte den Rotz aus meiner Nase. Ich wollte das nicht. Ich war Marlon, kein Quackel, und ich gab niemals auf. Niemals. Nein. Nie! Selbst wenn der Gegner in der letzten Minute des Spiels mit zehn zu null führte, glaubte ich noch daran, gewinnen zu können. So war ich nun mal. Und was das Nichtaufgebenkönnen betrifft, konnte ich tausendmal trotziger, engstirniger und dickköpfiger werden, als mein Bruder es war.
    Ich schniefte noch einmal. Dann stand ich auf und ging von den am Boden hockenden Kerlen weg. Ich spürte ihren geballten Vorwurf. Er brannte ein Loch in meinen Rücken hinein.
    „Okay, ich verstehe. Das ist wirklich viel. Die 6000 Euro und was wir aufbauen wollen. Aber Rom oder New York oder die ganze Welt sind auch nicht an einem Tag entstanden. Also haben wir Zeit, und was die Kohle betrifft, gehen wir arbeiten. Es sind Ferien, Jungs.“ Ich drehte mich zu den anderen um und lachte sie an, als hätte ich alle Probleme gelöst.
    Doch Leon, mein Bruder, kochte vor Wut: „Dafür bring ich dich erst recht noch mal um!“ Er ballte die Fäuste und kam auf mich zu. „Raban! Erzähl’s ihm. Erzähl ihm, dass er ein Klugscheißer ist!“ Er packte mich am Jackenkragen und zog mich ganz nah an sein Gesicht. „Hör es dir an!“
    „Für solche wie uns …“, begann Raban leise, als müsste er sich dafür gleich doppelt schämen. „Für solche wie uns … für solche, die erwachsene Dreizehn sind oder 13-jährige Erwachsene, gibt es zurzeit nur einen einzigen Job. Die Osterhasi-Familiy.“
    „Hast du das gehört!“, zischte Leon und blies mir dabei seinen heißen Atem ins Gesicht. „Die Osterhasi-Family. Weißt du, was das ist?“
    Und obwohl ich das wusste, klärte Raban mich auf. Er tat es, um mich zu bestrafen.
    „Da laufen wir als Osterhasen durch die Stadt und singen und tanzen. Wir singen über alles, was das Kaufhaus verkauft: über Eier, Gemüse, Kochtöpfe, Schrauben und … und …“ Raban brachte die Worte nicht über die Lippen.
    „Er redet von Damenunterwäsche!“, zischte mein Bruder, der dunkelrot wurde und schon zu qualmen begann. „Und das für poplige drei Euro die Stunde. Dafür bring ich dich um.“
    Er

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