2.02 Der fluesternde Riese
ist ein Deal!“, schlug die Hexe ein, und sie presste Rabans Hand so fest mit den Fingern, dass das Kräuseln auf seinem Nasenrücken verschwand und er vor Schmerz in den Knien wankte. Doch er stöhnte kein bisschen und er blieb ganz fest stehen.
„Der Deal ist ein Deal“, wiederholte Nervs Mutter, „wenn ihr morgen alle verkauft. Alle von denen.“ Sie griff auf den Tisch und hielt einen der Partypappteller vor Rabans Nase. Der brachte vor Schmerz keinen Ton heraus, und deshalb stöhnte ich für ihn:
„Heiliger Flitzfliegenschiss und Zappenkrautduster!“
Auf dem Pappteller tanzte ein halbes Dutzend pinkfarbener Flamingos um eine rosa Prinzessin herum.
„Lilligefeetes Gänseblümchen!“ Nervs Augen zuckten nervös, als täten sie weh, und Markus und Maxi, geschweige denn Juli und Leon, konnten noch irgendetwas anderes sagen.
„Lilligefeetes Gänseblümchen!“
Da stöhnte Raban unter Schmerzen: „Okay. Also abgemacht. Der Deal ist ein Deal.“
Und im selben Moment, als Nervs Mutter Raban aus ihrem Schraubstockgriff entließ, stürzten wir aus dem Büro, rasten, weil uns der Aufzug zu langsam war, die Treppen hinab, sprangen auf unsere Räder und jagten zum Fluss auf die Wiese am Wald.
Erst dort holten wir Luft. Drei, vier fünf Mal. Dann johlten und lachten wir über unser unerwartetes Glück. Wir hatten das Geld für unsere Pläne zusammen, und Leon, mein Bruder, gab mir ein stolzes High five.
„Du warst wunderbar, Klugscheißer!“, grinste er frech. „Und den Has Bink …“, er schlackerte dabei mit seinen Wangen, „ … den verzeih ich dir auch.“
Doch ich hatte das Lob nicht allein verdient! Deshalb lief ich zu Raban.
„Hey, komm schon, komm her! Du warst der Held. Du hast die Kohlen für uns aus dem Feuer geholt. Du hast Nervs Mutter, die Hexe, gezockt, und ihr andern wart einfach alle fantastisch. Ihr wart die besten Star-Wars-Hasen der Welt!“
Wir gaben uns alle nacheinander High fives.
„Und jetzt wird trainiert.“ Ich zog den Ball aus dem Netz am Beiwagenfahrrad und schoss ihn hoch durch die Luft in den Wald. „Ab in den Wald. Wir spielen Cross-Country-Volley-Fußball! Das hab ich mir gerade ausgedacht!“
HERZ OHNE HERZ
Wir rannten zu siebt durch den Wald, jeder vielleicht zehn oder fünfzehn Meter vom anderen entfernt, und spielten uns den Ball volley zu. Die Kugel sauste zwischen den Bäumen hindurch, und um sie zu erwischen, bevor sie den Boden berührte, sprangen wir über Gräben und Baumstümpfe. Wir rutschten Abhänge hinab. Wir tauchten unter umgestürzten Bäumen hindurch. Wir schlugen Saltos und Flickflacks, schwangen an Lianen über einen Waldsee, benutzten Baumstämme und Felsen als Banden, um den Wilde-Kerle-Ball Haken schlagen zu lassen, und kamen uns vor wie in einem Fußballflipperautomaten.
BÄNG! BUHM! BAMM! BAUZ!
„Das ist noch besser als der Lancelot-Test hoch zwei!“, lachte Maxi und drosch den Ball gleich über drei Banden – einen Baumstamm, einen Felsen und Nervs unfreiwillig in die Flugbahn gehaltenen Po – zu mir zurück.
„Hey, was soll das!“, schimpfte der Kleine, doch ich lachte ihn an. „Habt ihr das gesehen? Nerv kann noch was anderes als den Seitfall-Flugvolley-Dampfhammer-Booster. Er kann den Flughummel-gebückten-Allerwertesten-Dotz.“ Ich warf den Ball in die Luft, sprang ihm hinterher, ließ Beine und Arme hängen, wie eine Hummel das beim Fliegen tut, und beförderte das Leder mit einem eleganten Poposchlenker zu Leon hinüber. „Und ich gebe ihm jeden Sonntag einen Eisbecher aus, wenn er damit in Donnerschlag ein Tor schießen kann.“
„Die Wette gilt. Die nehme ich an! Und mir ist es egal, ob ich der erste Fußballspieler bin, der ein Tor mit dem Hintern schießt!“, rief Nerv und vergaß nicht nur seinen Zorn, sondern auch, dass die Eisdiele meines Vaters für uns geschlossen war.
Aber für solche Gedanken ging es uns einfach zu gut. Und weil das so war, dachten wir auch keine Sekunde an das „Ich-lass-die-Hosen-runter-Spiel“, geschweige denn an den Grund, warum wir es haushoch verloren hatten: dass es noch ganz viel gab, was wir noch nicht konnten. Nein, es ging uns zu gut, und als die Sonne die Spitze der Bäume auf der anderen Seite des Flusses berührte, fuhren wir alle glücklich die Stromschnellen zum Flüsternden Riesen hinauf.
Wir schliefen auf dem Moos seiner beindicken Wurzeln, die uns wie Wasserbetten umfingen. Wir genossen unsere Erschöpfung und den erholsamen Schlaf und freuten uns auf die
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