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2030 - Chimaerenblut

2030 - Chimaerenblut

Titel: 2030 - Chimaerenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin , Mo Twin
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Nacht…

     
    Constantin von Graef erwachte mit einem Schrei auf den Lippen. Er lauschte. Die See lag ruhig. Die Corvette schaukelte sanft auf den Wellen. Er tastete neben sich und sah auf die Uhr. Kurz vor Mitternacht. Zeit aufzustehen und die Brücke zu übernehmen . Drei Stunden Schlaf hatte er hinter sich, weitere drei Stunden würde er irgendwann am Tag nachholen.
    Sieben Jahre war der Absturz des Privatjets jetzt her. Inzwischen war Constantin dreißig, doch es verging kein Tag, an dem er nicht an jene Nacht dachte. Sie waren sofort tot: Seine Eltern, seine über alles geliebte Schwester, der Pilot und der Bodyguard der Familie.
    Constantin war schlagartig Alleinerbe eines Vermögens geworden, das aus rücksichtslosen Investitionen und Geldgier entstanden war. Nachdem er wusste, in welche Firmen sein Vater investiert hatte, verkaufte er alles. Es war eine Last, die er meinte loszuwerden, doch die Leere, die ihn dann ergriff, war noch erdrückender.
    Missmutig nahm Constantin zwei Kaffeebohnen aus einer Schale, warf sie in den Mund und begann darauf zu kauen. Vielleicht würde der bittere Geschmack die verfluchten Bilder seines Albtraums vertreiben, so hoffte er und erhob sich mühsam von dem schmalen Bett.
    Im Dunkeln tastete er nach der Augenklappe, zog sie über sein Chamäleon-Auge und trat in den Gang. Wie ein Schatten bewegte er sich an der offenen Tür der anderen vorbei. Wong Dai Yu schlief in den Armen ihres Freundes Ben Bright. Ihre langen Haare mit den weißen Strähnen lagen auf der glänzenden, schwarzen Haut des Bodyguards. Auf Schultern und Armen der beiden war das getigerte Muster zu erkennen. Katzen unter sich , dachte er. Die Chinesin schlug die Augen auf. Er nickte ihr zu und ging weiter zur Treppe, tastete sich Stufe für Stufe empor. Vermutlich würden Yu und Ben nun die Tür schließen und sich lieben.
    Natürlich würden sie sich lieben, dachte er und spürte wieder den alten Zorn auf seinen Vater. Den ganzen Tag über hatte der Familienpatriarch telefoniert und am Abend seine Pharma-Aktien abgestoßen. Kurz bevor die Kurse ins Bodenlose fielen. Deshalb waren sie in das Gewitter geraten.
    Er verwischte die Erinnerungen und öffnete mit einem Knopfdruck die Schiebetür zur Brücke.
    » Hej . Schon so spät?«, empfing ihn sein schwedischer Bootsmann, Lars Lundberg.
    » Hej «, erwiderte er die schwedische Begrüßungsformel. »Ich konnte nicht schlafen. Mein Rücken, du weißt ja.« Er legte eine Hand auf die Schulter des Freundes. »Wie war die Nacht?«
    »Alles still. Keine Taucher gesichtet.« Lars rieb sich die Schweinsnase und grunzte vergnügt. »Auch keine Sirenen.«
    »Gut. Ich übernehme.«
    »Dann geh’ ich dir mal einen Kaffee holen.«
    Wenige Minuten später saßen sie schweigend nebeneinander. Lars schwenkte seinen Gin Tonic. Constantin nippte am dampfenden Kaffee. Dann verzog sich Lars in seine Koje, und Constantin blieb alleine auf der Brücke zurück. Er beobachtete das Meer, die Lichter der Schiffe und die Inseln in der Ferne, während die Rückenschmerzen endlich nachließen.
    Ein tropfenförmiges Muster zog sich über die Epidermis seines nackten Oberkörpers, dann wechselte die Hautfarbe ins Anthrazit der Nacht. Seit zwei Jahren konnte er im Gegensatz zum Chamäleon den Farbwechsel willentlich steuern. Nur wenn er sich aufregte, spielten die Muskeln unter der Haut verrückt, so dass ihm die Kontrolle entglitt. Dann bekam er dunkle Flecken, die er nur mühsam unterdrücken konnte.
    Er lauschte in die Stille der Nacht und genoss es, mit Hilfe der Chamäleon-Tarnung so gut wie unsichtbar zu sein. In Gedanken ging er eine seiner Lieblingsstellen aus Shakespeares Romeo und Julia durch. »...und Liebe wagt, was irgend Liebe kann.«
    Gegen Morgen begannen die Lichter auf den künstlichen, vorgelagerten Inseln zu verblassen, und die Yachten tauchten als graue Silhouetten im Dunst der Dubai Waterfront auf. Constantin schüttelte den Kopf . Angeber-Schiffe, deren GPS-Signale ständig zeigen, wo sie sich befinden. Seine Corvette dagegen duckte sich flach gegen das Wasser. Ihre gesamte Technik lag unter Deck, sie war nur halb so groß wie die militärischen Vorbilder dieser Schiffsklasse, und vor allem war sie schnell, wendig und blieb so gut wie unsichtbar.
    War dort etwas im Wasser? Constantin blinzelte mit seinem menschlichen Auge, mit dem er die Umgebung nun schon seit Stunden scannte. Vor einer einsam kreuzenden Yacht draußen im Golf meinte er ein Glitzern zu erkennen. Er

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