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2030 - Chimaerenblut

2030 - Chimaerenblut

Titel: 2030 - Chimaerenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin , Mo Twin
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dachte sie – ich bin ein Monster!
    Reflexartig streckte sie die Arme hervor und schnellte in die Tiefe. Der Druck auf ihren Ohren schmerzte.
    Doch noch Mensch!
    Sie schluckte und fühlte das Knacken in den Gehörgängen. Der schmerzhafte Druck verschwand. Sie schwamm tiefer, schluckte erneut, tauchte weiter hinab.
    Am Felsgrund wuchsen Austern. Sie konnte die in der Kalkschale versteckten Weichtiere riechen. Auch Blut, ganz in ihrer Nähe. Ein Raubfisch hatte einen kleinen Schwarmfisch verspeist und die Reste ins Meer gespuckt. Eine halbe Flosse trieb an ihr vorbei.
    Josi aß keinen Fisch, doch der ausgehungerte halbe Hai in ihr drängte auf seinen eigenen Überlebensinstinkt. Sie schnappte sich eine Handvoll Muscheln und schwamm an die Wasseroberfläche. Dort legte sie sich auf den Rücken, häufte die Muscheln auf den Bauch, brach die Schalen auf und schlürfte das Fleisch heraus. Schläfrig drehte sie sich auf die Seite und schloss die Augen.
    Plötzlich fühlte sie neue Kräfte. Aber dieses Leben wollte sie nicht. Sie wollte doch sterben.
    Nicht denken! Bitte, lieber Gott, lass mich jetzt wegdösen . Ich will einfach nur schlafen. Schla …
    Das Wasser schaukelte sanft und lullte sie ein.
    Als sie Stunden später erwachte, trieb sie auf dem Bauch liegend im Meer. Warum bin ich nicht ertrunken?
    Sie öffnete die Augen und drehte sich mit einem Flossenschlag auf den Rücken. Über ihr schien der Mond. Sterne glitzerten wie verschüttete Diamanten . Ist das der kleine Wagen? Oder der große? Und das? Andromeda?
    »Nein!« schrie sie. Endlich hatte sie begriffen. Ihre Kiemen waren voll funktionsfähig. Sie befühlte ihr Gesicht, ihre Brust, sah auf ihre Arme, ihre Hände ... alles noch menschlich.
    Unter dem aufgeknoteten Hemd zeigte sich ein Leoparden- Tupfenmuster auf schräg verlaufenden handbreiten Streifen. Es war unumstößlich: Stegostoma fasciatum verdrängte Homo sapiens. Die Zebrastreifen gingen mittlerweile bis über die Brust. Sie schob die Bluse von der Schulter und drehte den Kopf, um hinzusehen. Fühlte über die Haut. Hell, dunkel, hell… Plakoidschuppen. Rau wie Sandpapier. Auf der Schulter auch. Ein schmaler Streifen. Die andere Schulter? Dort nicht.
    Warum trage ich noch das Hemd? Ich brauche kein Totenhemd. Sie streifte die Bluse von den Schultern. Der nasse Stoff ging sofort unter.
    Dann tauchte das Schiff auf.
    Wie aus dem Nichts war es plötzlich da. Dunkel wie die Nacht und kantig geschnitten. Eine Corvette.
    Josi tauchte ab, packte den Stoff, zog die Bluse über und verknotete die Zipfel unter der Brust.
    Mit kräftigen Schlägen hielt sie auf das Boot zu…

 
63
    Sonntag, 2. Juni, morgens:
    L eon knirschte mit den Zähnen. Die toten Hühner und die stinkenden Fische lagen meterhoch aufgeschichtet. Er watete durch die blutigen Leiber. Sein Unterbewusstsein rebellierte. Merde , was stimmt hier nicht? Der Mann lachte ihm ins Gesicht. Sein speckiges Kinn wackelte. Plötzlich bemerkte Leon, dass die nackten Hühner zuckten. Ihre Leiber blähten sich auf. Sie zappelten wie Fische und sahen aus wie aufgeblähte Ballons. Die gespannte Haut platzte auf und Hühnereier quollen hervor. Leon stolperte, suchte Halt. Er fiel in einen Berg toter Fische. Auch sie hatten aufgeplatzte Bäuche. Warum kann ich nicht aufstehen? Er sah an sich hinunter. Das Shirt schob sich nach oben, dann sah er seinen eigenen aufgedunsenen Fischleib...
    Er erwachte mit einem Schrei, schnaubte hektisch, fasste neben sich und versuchte sich zu orientieren. Das Laken war zerknautscht und nassgeschwitzt. Wo war er?
    Japsend riss er die Decke zurück und sprang von der Pritsche. Seine Atmung beruhigte sich nur langsam. Er griff sich in die Haare, sah sich um. Ein vergittertes Fenster? Plötzlich war die Orientierung wieder da. Merde !
    Die Wände waren weiß gekalkt, er stand auf grauem Industriebetonboden, neben sich eine Metallpritsche, ein Leinenlaken und eine Wolldecke, gegenüber vom Bett eine Edelstahltoilette ohne Deckel.
    »Der Doc sieht morgen nach dir«, hatte Kevin gestern mit heiserer Stimme geflüstert und dabei an ihm vorbei auf den Boden geschaut.
    »Hey«, hatte Leon geschrien und gegen die Stahltür gehämmert. »Kevin? Warum?«
    Doch Leon hatte keine Antwort bekommen. Kevin hatte die Tür zugeschlagen. Leon hatte sich auf die Pritsche gesetzt und war erst gegen Morgen eingeschlafen.
    Und jetzt stand er hier, zitterte und versuchte sich zu beruhigen. Er ging an das winzige vergitterte Fenster und rüttelte

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