2030 - Chimaerenblut
nutzt er das zu seinem eigenen Vorteil. Oder wie kannst du mir erklären, dass er mit Wertpapieren spekuliert, die damit in Zusammenhang stehen. Er weiß offensichtlich schon jetzt, welche Gesetze demnächst verabschiedet werden – noch vor der Abstimmung im Kongress – und er verkauft, was dann in den Keller fällt. Wieso kann er das? Wieso weiß er vorher wie abgestimmt wird?«
Ethan wurde blass. »Ich werde das überprüfen.«
Volltreffer , dachte Josi und sah sich suchend um. »Willst du hier übernachten?«
Ethan zeigte auf eine Metalltür. »Es gibt einen Kellergang, der unter dem Grundstück zum Haus führt. Den nehmen wir.«
Josi hielt ihn am Arm fest. »Wie hast du herausgefunden, wo ich bin?«
»Ich hatte die Taxinummer, also rief ich die Zentrale an. Da du zum Flughafen wolltest nahm ich an, dein Ziel ist New York. Sicherheitshalber ließ ich mir den Taxifahrer direkt geben…«
Josi sah an ihm herab. Die Socken fehlten. Plötzlich musste sie sich ein Grinsen verkneifen. Sie stellte sich vor, wie Ethan nackt und nass mit einer Hand telefonierte, während er gleichzeitig in seine Hose schlüpfte und dann mit den Schuhen in der Hand die Treppen hinunter lief.
37
Chicago:
»O mein Gott! Wer hat dir das angetan?« Ethans Mutter bekam hektische Flecken auf den Wangen.
Ethan deutete auf das Wappen an seiner Brusttasche. »Da hat wohl jemand Rot gesehen, der solche Hemden nicht leiden kann.«
Hillary Hilden eilte zum Telefon. »Ich rufe unseren Hausarzt.«
Während sie im Salon warteten, spielte Ethan Klavier. Josi vermutete, um sich zu beruhigen. Dann setzte er sich in einen der Cocktailsessel, griff nach einem Fachbuch und trommelte auf den Buchdeckel. Er schien Schmerzen zu haben.
Eine halbe Stunde später versorgte der Arzt die Wunde mit einem Klammerpflaster und gab ihm ein Schmerzmittel.
Ethans Vater hatte offensichtlich beim Einparken in der Garagenhalle das defekte Auto entdeckt.
»Ethan« brüllte er durchs Haus und Josi ahnte, dass jetzt der schwierige Teil kam.
»Hier!«, grummelte Ethan und griff sich an die Wange wie jemand, der Zahnschmerzen hatte.
Die Tür flog auf. »Was ist passiert?«
»Nichts. Ich war am Flughafen und bin in eine Demo geraten.«
»Erzähl mir nichts. Ich habe die Nachrichten verfolgt. Steine sind geflogen … Knüppel … Wasserwerfer …« Er überlegte. »Von Schüssen haben sie nichts gesagt.«
»Das war später.«
»Später?« Hilden Seniors Gesicht lief rot an. Er atmete hörbar ein und griff sich an den Schlips. »Junge, kannst du mir jetzt bitte erzählen, was passiert ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Wir steckten im Stau. Plötzlich hat uns jemand verfolgt und auf uns geschossen.«
Offensichtlich wollte sein Vater die Angelegenheit nicht vor Josi diskutieren. Er zitierte Ethan ins Privatbüro. In fünf Minuten!
Ethan folgte achselzuckend. Josi war beeindruckt. Es war unglaublich, wie er die Angelegenheit zur Bagatelle herunter spielen konnte. Später hörte sie die beiden durch die Bürotür brüllen. Es ging auch um das, was sie Ethan über die Geschäfte seines Vaters gesagt hatte. Türen flogen. Dann kam Ethan zurück in den Salon und setzte sich wortlos neben sie.
»Was hat er gesagt?«, zischte Josi.
»Unwichtig.« Ethan machte eine unwirsche Kopfbewegung. Er war sichtlich wütend.
»Vielleicht sollte ich meine Eltern bitten, mir zu erlauben, zurück nach Deutschland zu fliegen.«
Überrascht hob Ethan den Kopf und zog eine Augenbraue hoch. »In Europa haben sie vor einer Woche die Chimären-Klagen abgeschmettert. Was glaubst du, was dort gerade abgeht?« Ohne eine Antwort abzuwarten verließ er den Raum.
Josi überlegte, ob sie sich aufs Zimmer verdrücken sollte bis die dicke Luft vorbei war. Doch es war zu spät. Die Tür ging auf, und Hilden Senior kam herein.
Er griff sich einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. Josi war darauf gefasst, erklärt zu bekommen sie sei nicht mehr sicher in Chicago und solle nach Hause fliegen. Aber er sagte das Gegenteil. Er habe einen zusätzlichen Bodyguard für sie und Ethan eingestellt, der sie ab sofort begleite. Sie müsse sich keine Sorgen machen. Die Polizei würde das Auto untersuchen. Da Kugeln stets zugeordnet werden könnten, ließe sich der Täter ermitteln. Außerdem habe er mit ihrem Vater telefoniert, der sagte, in Europa gäbe es ebenfalls Unruhen, und er vertraue darauf, dass Josi in der Familie sicher sei.
Josi biss sich auf die Lippe, verdammt, warum hatte sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher