2033 - Tod im Türkisozean
Luft. „Nein, danke", sagte Jamaske. „Ich muß zu den Pflanzern. Sie warten auf mich. Ich muß gehen ..."
„Es sind doch nur Gaukelbilder", sagte der Fremde. „Es ist nicht echt!"
Aber Jamaske hatte den beiden unheimlichen Wesen schon den Rücken zugewandt und eilte fluchtartig und mit pochendem Herzen in den Wald hinein. „Hoho!" meckerte die Pelzkugel. „Gaukelbilder, Gaukelleben! Hoho!"
„Jaja, geh du mir!" rief ihr der Fremde, der sich Yol Gondaron nannte, hinterher. „Es ist ja nicht so, daß ich mich hier oben langweilen würde. Ich bin mir sicher, in spätestens ein, zwei Segaftausend klettert wieder mal jemand zu mir hoch. Geh du nur und laß mich in meinem Unglück allein! Aber laß dir noch eines sagen: Nicht alles ist so, wie es scheint, werte Rautak!
Wenn du erkennst, wie es ist, wirst du noch an mich denken ..."
*
Jamaske atmete erst auf, als sie den wasserblauen Blätterwald hinter sich gelassen hatte und wieder den offenen Silberschirm und das offene Meer sah. Sie war durch die absonderliche Begegnung zutiefst verstört. Sie war so verstört, daß sie den hochgewachsenen Mann im purpurroten Kishtor, der auf ihrem erhöhten Aussichtsplatz an der Steilküste stand, erst bemerkte, als sie ihn schon beinahe erreicht hatte. Der Mann war Latruiz.
Er kam mit raschen, entschlossenen Schritten auf Jamaske zu, nahm sie wortlos in die Arme und küßte sie heftig auf den Mund. Seine Zunge drang warm und feucht in ihre Mundhöhle ein und schien sich für eine Ewigkeit nicht mehr loslösen zu wollen.
Erst als Jamaske ihn leicht und warnend auf die Innenseite seiner Lippen biß, weil sie sogar durch ihre Nasenlöcher kaum noch Luft bekam, ließ er schwer atmend von ihr ab, strich ihr mit beiden Händen halb zärtlich, halb entschuldigend über die seitlichen Zopfspiralen und sagte: „Jamaske."
Sonst nichts. Was hätte er auch sonst noch sagen sollen?
10.
Zwei auf Paumyr
In Wahrheit gab es in den kommenden Perioden - die Jamaske als ein einziges Schweben zwischen den Schlafphasen erlebte, als eine einzige Abfolge von heimlichen Rendezvous und stürmischen Küssen und unendlich langen Vereinigungen - natürlich sehr viel zu sagen.
Obwohl nicht weniges von dem, was Jamaske und der Paumyr-Sprecher einander zuflüsterten und schworen und erzählten von jener verspielten Beiläufigkeit war, die so typisch für frisch Verliebte ist und einem Außenstehenden nicht selten wie inhaltsloses Plappern erscheint. „Mein Bronzevögelchen", sagte Latruiz. „Mein Purpurmann", sagte Jamaske. „Mein tiefer Paumyrbrunnen", sagte Latruiz. „Mein Schmetterlingssegler", sagte Jamaske.
Sie erkletterten die Knotenwälder und lagen im Schatten der schützenden Schleierranken auf einem Bett aus Moos und Blumen. Sie wanderten durch die Gelbmohnwiesen und konnten dabei ihre Hände nicht voneinander lassen. Sie stiegen auf schwindelerregende Vorsprünge und liebten sich über dem rauschenden Wasser des Türkisozeans. Sie legten sich in die flauschigen Blätter eine Tollblüte und benetzten die samtigen Fruchtstengel mit ihrem Schweiß.
Ihre Liebesspiele unter freiem Silberschirm hatten bei aller Leidenschaft und ungezügelten Fleischlichkeit etwas so Unschuldiges an sich, daß es Jamaske gar nicht in den Sinn kam, Paumyr, die schließlich allgegenwärtig war, könnte irgend etwas von dem, was sie und Latruiz miteinander machten - was sie einander schenkten! - mißbilligen. Wenn sich Latruiz in ihr Becken ergoß, dann war es wie ein beglückender Regen, der nicht nur Jamaske, sondern auch Paumyrs ganzes Pflanzenreich erblühen ließ. Die Farben der Blumen, Sträucher und Bäume ringsum waren mit einemmal viel kräftiger, wenn Jamaske, erschöpft von ihren erotischen Eskapaden, an der breiten, bronzenen Brust von Latruiz lag und mit einem wohligen Seufzen durch seine mattschwarzen Haare strich. Die Inzaila war Jamaske noch nie so herrlich erschienen.
Und Jamaske selbst hatte sich noch nie so ganz gefühlt, so durchdrungen von Vitalität und überschäumender Lebenslust. Ihre Träume waren wahr geworden. Nein: Ihre Träume wurden von der wunderbaren Wirklichkeit noch bei weitem übertroffen.
Allerdings waren die ausschweifenden Träume ihrer Vergangenheit das einzige, was Jamaske vor Latruiz geheimhielt - obwohl er doch die Hauptrolle in diesen Träumen gespielt hatte.
Aus einer schwer begreiflichen Scheu heraus, aufgrund einer leisen inneren Warnung erzählte Jamaske ihrem Geliebten nie von diesen
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