2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit
lade hiermit alle Evoesa ein, die Patenschaft der werdenden Superintelligenz zu übernehmen." Er merkte selbst, wie großartig die Worte klangen, die er gerade so gelassen aussprach! Aber sie schienen ihm der Situation angemessen. „Danke", sagte Ruyde Kerima Bassa. Danke - wofür? dachte Tekener unbehaglich und bekam eine leichte Gänsehaut. Der Aktivatorträger machte daraufhin, dass er so rasch wie möglich in die SOL zurückkam. Dort musste er nicht extra Bericht zu erstatten, die Zentrale hatte alles mitgehört.
Mondra Diamond fühlte sich, als sei sie an Geist und Körper gebrochen. Was sie hatte miterleben müssen, war mehr, als sie derzeit ertragen konnte.
Die sonst so stabile TLD-Agentin, die eine harte Ausbildung durchlaufen und sich in zahlreichen Einsätzen bewährt hatte, taumelte geradezu. Zuerst die an Gewissheit grenzende Befürchtung, dass ihr einziges Kind nie mehr aus dem Koma erwachen würde und sterben musste. Dann die aufkeimende Hoffnung, dass Delorian unter dem Einfluss von Arystes' Pflanzenableger wieder ins Leben zurückfinden könnte. Was für ein herrliches Gefühl von Seligkeit hatte sie empfinden dürfen, als ihr geschundenes Kind wieder regelmäßig atmete und seinen Herzrhythmus wiedergefunden hatte.
Es war die Bestätigung dafür, dass sie als, Mutter richtig gehandelt hatte, als sie Delorian in ihre Obhut genommen hatte. Es schien so, als würde alles wieder gut werden. Doch dann wurde Mondra durch die sich überschlagenden Ereignisse brutal aus ihren Träumen gerissen.
Als sie sah, wie Delorian sich als ein Gefäß entpuppte, aus dem ein steter Strom übernatürlicher Kräfte floss, war das für ihre Begriffe, als entströme ihm alle Lebenskraft. Ihr Kind wurde zu einer leeren Hülle, die anscheinend nur gefüllt gewesen war mit der Essenz, dem Elixier einer Superintelligenz ...
Keine Mutter des Universums hätte gleichmütig hinnehmen können, was man ihrem Sohn in diesen Minuten antat. Ihr Kind war nur dafür Missbraucht worden, Träger des Splitters einer höheren Entität zu sein. Mondra war nahe daran, den Verstand zu verlieren. Aber sie schaffte es, konzentrierte sich und bekam ihre widerstreitenden, einander jagenden Gefühle langsam unter Kontrolle.
Was blieb, war eine unermessliche Leere. Sie fühlte sich völlig ausgebrannt, ohne Willen und ohne Bedürfnisse. Die junge, sonst so fröhliche Frau war wie ohne Leben. Völlig lethargisch und apathisch kam sie sich vor. Atlan und Myles Kantor gaben ihr Zuspruch. Sie sprachen von künstlichem Tiefschlaf und einer dringend benötigten Erholungsphase zur Regenerierung.
Mondra Diamond stand nur da und starrte auf das Kinderbett, in dem die Hülle von Delorians Körper zurückgeblieben war. Das Kind' sah aus, als würde es friedlich schlafen. Aber das kleine Herz schlug nicht mehr, der Atem war versiegt.
Sie versuchte Halt zu finden, indem sie ihren Geist in die Vergangenheit entfliehen ließ.
Delorian war nie ein normales Kind gewesen, das hatte sie schon gewusst, als sie ihn noch in sich getragen hatte. Irgendwie hatte sie das damals sogar mit Stolz erfüllt.
Nun, da Mondra wusste, was wirklich mit ihm los war, empfand sie nur noch Bedauern und eine tiefe Trauer. Delorian hatte nie auch nur andeutungsweise die Chance bekommen, ein normales Leben zu führen. Und sie, seine Mutter, hatte sich schon darauf gefreut, den Säugling heranwachsen zu sehen und ihn irgendwann einmal seinem Vater vorzustellen. Delorian wusste damals im PULS von DaGlausch deshalb so genau, was kommen würde, weil sich in ihm bereits die Essenz der Superintelligenz ES manifestiert hatte. Und diese Kraft war es gewesen, dessen war sich Mondra nunmehr sicher, welche die Geschicke der SOL-Expedition aus dem Hintergrund gelenkt hatte.
Delorian - oder besser die Kraft in ihm - war der eigentliche Steuermann während der gesamten Mission der SOL in der Vergangenheit gewesen!
Deshalb hatte man. ihn auf Orllyndie als den Kommandanten ihrer Expedition bezeichnet. Nun war aus den Resten der ESTARTU und der von Delorian getragenen Kraft eine neue Entität – nämlich ES selbst - entstanden. Alles, was Delorian in sich getragen hatte, war in ES aufgegangen.
Mondra Diamond kniete vor dem Bett mit der Hülle ihres Kindes nieder. „Sprich mit mir, Delorian!" bat sie mit einer Stimme, in der auf einmal wieder Gefühl lag. Ohne es bewusst getan zu haben, hatte Mondra mit ihren Gedankengängen die Leere in sich wieder ein wenig aufgefüllt, wenngleich mit
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