2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit
wehmütigen Erinnerungen, und so den Weg zurück ins Leben gefunden. Sie besaß wieder Wünsche und Bedürfnisse. „Sprich mit mir, Delorian, so, wie du es früher getan hast", sagte sie wieder. „Du kannst nicht einfach so gehen, ohne ein Wort, ohne einen letzten Abschiedsgruß. Gib mir wenigstens ein letztes Zeichen!"
Ihre Stimme brach ab, fast wären Mondra die Tränen gekommen. Ihr schlanker Körper zuckte. Doch das Kind rührte sich nicht. Sein Körper, diese leere Hülle ohne Seele, war tot. Aber Delorian gab ihr ein Zeichen. Wo immer er war, in welcher Form ES momentan auch existierte, Delorian sprach aus ES zu ihr. Sei nicht traurig, Mutter. Mir ist nichts Schlimmes widerfahren. Was geschehen ist, das war meine einzige Bestimmung. Ich wurde dafür geboren, die Geburt von ES einzuleiten. Das haben wir beide von Anfang an gewusst. Delorian - oder ES selbst - schickte ihr eine Vision. Sie sah einen jungen Mann von vielleicht achtzehn Jahren. Er war nackt, wirkte kräftig und gesund und frohgemut, mit einem offenen und ehrlichen Gesicht. Er besaß eindeutig Delorians Gesichtszüge, und die Ähnlichkeit mit seinem Vater Perry Rhodan war unverkennbar.
Mondra verstand die Botschaft. Delorian wollte ihr zeigen, dass er nicht gestorben war, dass er vielleicht unsterblich geworden war und eine Zukunft in ES hatte. Das erleichterte Mondra, es machte sie im Augenblick froh. Sie empfand zuerst ein Hochgefühl und dann überschäumende Freude, dass Delorian in ES weiterleben würde. Aber das weckte auch einen Wunsch in ihr. „Delorian", sagte sie mit plötzlich aufkommender Sehnsucht. „Delorian, lass mich bei dir sein! Ich will nichts anderes als dich auf deinem weiteren Weg mit ES begleiten."
Sie versuchte Delorian ihre Verzweiflung deutlich zu machen, die sie durch seinen Abgang empfand. Ohne ihr Kind würde sie ebenfalls sterben wollen. Ohne Delorian fühlte sich das Leben für sie sinnlos an. Sie hatte diese mysteriöse Geburt im PULS von DaGlausch nicht durchge standen und mit aller Energie um Delorian gekämpft, nur um sich nach wenigen Tagen der Mutterschaft für immer von ihm zu trennen. Nein, das konnte sie nicht akzeptieren. „Das ist nicht fair!" flüsterte sie und schluchzte auf.
Mondra hatte nur für Delorian gelebt, hatte unglaubliche elf Monate Schwangerschaft auf sich nehmen müssen, wohl weil ES es so gewollt hatte. Es war ihr gutes Recht, als Gegenleistung dieselbe Gnade zu erwarten, die auch Delorian widerfahren war. „Ich möchte wie du in ES aufgehen und bei dir sein, Delorian", fasste sie ihre Überlegungen in einem Satz zusammen. Die Vision des jungen Mannes, der Delorian darstellte und der so verblüffende Ähnlichkeit mit seinem Vater hatte, dieses Abbild ihres dem Babyalter entwachsenen Kindes, verblasste.
Mondra blinzelte erschrocken. Schon fürchtete sie, Delorian könnte sich ohne ein weiteres Wort von ihr abwenden. Weil er enttäuscht über ihre Anmaßung war" bei ihm sein zu wollen. Oder weil ES ihn zurück zu sich und zur Ordnung rief. Oder aus welchen Gründen auch immer. Damit hätte sich Mondra nicht abgefunden. So hätte sie nicht weiterleben wollen. Die ehemalige Agentin fühlte sich nun wieder völlig allein in ihrer Kabine. In ihrer Hand lag der Thermostrahler, mit dem sie um Delorian gekämpft hatte, sie wusste nicht, wie er dorthin gelangt war.
Aber er kam ihr gerade recht. Sie würde Schluss mit sich machen. Langsam führte sie den Strahler an ihre Schläfe. Ein Schuss nur, ein einziger, und es ist alles vorbei, dachte sie fatalistisch. Dann habe ich meine Ruhe. Da meldete sich Delorian noch einmal. Er schickte kein Abbild von sich, sie konnte nichts von ihm sehen, nur seine Stimme hören. tu's bitte nicht, Mutter, hörte sie die körperlose Stimme Delorians sagen. Du darfst der Realität nicht entfliehen. Du hast deinen Platz im Leben. Und es gibt einen wichtigen Menschen, der auf dich wartet, Mutter! Das waren die letzten Worte, die Mondra je von ihrem Kind hörte. Aber so schlicht sie waren, sie hatten sie wachgerüttelt.
Der Thermostrahler entglitt ihren Händen und polterte zu Boden. Ja, es gab in diesem Leben jemanden, der auf sie wartete. Es gab in diesem Le ben noch einen anderen Mann neben ihrem Kind, der sie liebte. Ihr verlorener Sohn Delorian hatte punktgenau ihren Nerv getroffen. Perry Rhodan. Ihr Mann. Der Mann, der irgendwo 18 Millionen Jahre in der Zukunft auf sie und ihren Sohn wartete. Zumindest sie sollte er wiedersehen.
Für Ruyde Kerima Bassa war
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