2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit
der Besuch von Ronald Tekener überaus unbefriedigend verlaufen. Es hatte fast den Anschein gehabt, als wisse dieser Mensch gar nicht, was wirklich im INSHARAM ablief.
Immerhin trug er in seiner Schulter ein Gerät, das offensichtlich Aktionsmaterie von unglaublicher Dichte enthielt. Es war vergleichbar mit jenem Gerät, das auch Atlan trug. Es handelte sich also auch bei Ronald Tekener um ein wichtiges Wesen, wenngleich sie nicht klar sagen konnte, in welcher Richtung er bedeutend war. Nach ihrer Begegnung wuchsen auch die Zweifel in ihr. Die Älteste der Evoesa hätte sich wenigstens Zugeständnisse erwartet, wenn schon nicht ein konkretes Angebot oder wenigstens eine Einladung. Aber dieser Ronald Tekener hatte so getan, als sei die Geburt einer Superintelligenz eine alltägliche Kleinigkeit. Er wusste nichts, hatte keine Ahnung von den tatsächlichen Abläufen bei einem Vorgang dieser Größenordnung.
Vielleicht wäre Atlan ein besserer Ansprechpartner gewesen. Doch dieser hatte nicht zur Verfügung gestanden. „Wie wird es nun weitergehen?" wurde Ruyde Kerima Bassa von den Evoesa in den dichten Schwärmen immer wieder gefragt. „Was passiert denn nun wirklich mit uns? Was soll aus uns werden? Wie können wir der Superintelligenz helfen?" Viele der jungen Evoesa waren noch nicht aufgeklärt, besaßen nicht das Wissen über die kosmischen Hintergründe des INSHARAM, obwohl sie und ihr bisheriger Lebenspartner Karja Menem Siganter viel Aufklärungsarbeit geleistet hatten ...
Wie sehr sie Karja in dieser schweren Stunde vermisste! Ruyde verspürte die unglaubliche Sehnsucht nach ihrem Lebenspartner.
Jeder Evoesa wusste über die Aufgaben ihres Volkes Bescheid. Sie waren die Hüter des INSHARAM, die ordnende Kraft in diesem Bereich, die Instandhalter, die Exekutive. Sie hatten das Treibgut der Dimensionen zu entsorgen, das gelegentlich angeschwemmt wurde und den psimateriellen Ozean verunreinigte. So weit ging das Verständnis aller gerade noch. Kaum ein Evoesa hatte Schwierigkeiten damit, Verunreinigungen mit vereinten Kräften und der Bildung eines Parablocks in den Hyperraum abzuschieben.
Doch wenn es darum ging, das Medium des Hyperraumes zu definieren, stießen die meisten an ihre Grenzen. Und nur wenige begriffen, dass das IN-SHARAM in einen Bereich eingebettet war, der zwischen dem Hyperraum und dem Standarduniversum lag, der auch Tiefe genannt wurde. Ruyde Kerima Bassa konnte deswegen keinem Evoesa einen Vorwurf machen, denn sie hatte selbst einige Jahrhunderte gebraucht, um diese Anordnung einigermaßen verstehen zu können. Im Grunde genommen reichte es, wenn den Evoesa bewusst wurde, dass die eigentliche Funktion des INSHARAM darin bestand, als Geburtsstätte für Superintelligenzen zu dienen.
Dabei genügte es, eine Superintelligenz als Geisteswesen höherer Ordnung zu definieren. Aber selbst solche Grundbegriffe waren den meisten Evoesa nur schwer begreiflich zu machen. Ruyde Kerima Bassa konnte selbst nicht aus Erfahrung sagen, was passierte, wenn eine Superintelligenz im INSHARAM geboren wurde. Sie hatte ihr Wissen lediglich aus der Überlieferung. Immerhin lag es schon Äonen zurück, dass das INSHARAM die letzte Superintelligenz hervorgebracht hatte.
Diese zuletzt hier geborene Superintelligenz hatte K'UHGAR geheißen, und deren Erhöhung hatte im INSHARAM eine schreckliche Katastrophe ausgelöst. Danach hatte keine der vielen Wesenheiten, die das INSHARAM aufgesucht hatten, die Transformation auf eine nächsthöhere Daseinsebene mehr geschafft.
Darum war die Legende geboren worden, dass durch K'UHGARS Raubbau das INSHARAM derart gestört worden war, dass es nicht mehr in der Lage sein würde, angehenden Superintelligenzen zu ihrem Evolutionssprung zu verhelfen. Das INSHARAM sei beschädigt, es sei für junge Entitäten eher gefährlich als hilfreich. Doch die Tatsache, dass in diesen Augenblicken die Geburtsstunde einer Superintelligenz bevorstand, strafte das Gerücht eigentlich Lügen. Und ließ Ruyde Kerima Bassa sehr Schlimmes befürchten.
Einst, so sagte die Überlieferung, war die Zahl der Evoesa in die Millionen gegangen. Als K'UHGAR zur Superintelligenz wurde und das INSHARAM förmlich leer gesogen, ihm so fast alle psionische Kraft entzogen hatte, waren Millionen von Evoesa zugrunde gegangen. Gerade einmal hunderttausend von ihnen hatten überlebt. Man schrieb dieses Massensterben der Tatsache zu, dass die Superintelligenz K'UHGAR in ihrer unersättlichen Gier dem INSHARAM zuviel
Weitere Kostenlose Bücher