2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
die Industrie hoffte – vor Fukushima –, die Laufzeit der Reaktoren auf mindestens 40 Jahre verlängern zu können. Nach Fukushima wird das deutlich schwieriger werden.
Hier die Fakten: Bis 2025 müssten allein 260 neue Reaktoren in Betrieb gehen, nur um die alten Reaktoren auszugleichen, die planmäßig nach einer akzeptablen Laufzeit stillgelegt werden. 12 Man müsste schon ein Optimist an der Grenze zur Unzurechnungsfähigkeit sein, um anzunehmen, der Beitrag der Kernenergie würde im Jahr 2030 je über 5,5 Prozent liegen und selbst das würde Steuerzahler weltweit enorme Summen kosten. In derselben Zeit könnten die Erzeugungskapazitäten der erneuerbaren Energien jedoch deutlich erhöht werden.
Eine bevorzugte Förderung der Kernenergie gefährdet jedoch die Investitionen in erneuerbare Energien. Weil fossile Brennstoffe in diesem Fall die Versorgungslücke weit länger als notwendig werden schließen müssen, verschlechtern sich die Aussichten auf eine CO 2 -arme Zukunft sogar noch. Der »Traum von der Kernenergie« lässt sich damit folgendermaßen zusammenfassen: ein sehr kleiner Beitrag zu unserer CO 2 -armen Zukunft, verbunden mit riesigen Kosten und einem massiven Risiko, verstärkt unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, statt sie zu verringern.
Und es gibt noch einen letzten Grund, warum der Traum von der Kernenergie nie halten wird, was er verspricht – die Anfälligkeit von Atomanlagen für Terrorangriffe. Ich halte es für nahezu unvermeidbar, dass es im nächsten Jahrzehnt irgendwo auf der Welt einen Terrorangriff auf eine Atomanlage geben wird. Viele Sicherheitsexperten wundern sich bereits darüber, dass es nicht schon geschehen ist.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um einen Cyberangriff handeln wird, hat sich stark erhöht, seit es den Regierungen Israels und der Vereinigten Staaten gelungen ist, ihren »Stuxnet-Wurm« in die Steuerungsprogramme iranischer Atomkraftwerke einzuschleusen. Aber ebenso wahrscheinlich ist ein physischer Angriff, nicht unbedingt auf den Reaktor selbst, sondern auf die Zwischenlager für nukleare Brennelemente, die es bei vielen Reaktoren gibt. Das Schutzniveau dieser Zwischenlager ist deutlich niedriger als das der Reaktoren selbst. Es ist verständlich, dass niemand darüber sprechen will, denn das Ausmaß des Schreckens, das ein solcher Angriff auslösen würde, übersteigt jede Vorstellungskraft. Tatsache ist jedoch, dass die gesamte Branche diesen Risiken ausgesetzt ist.
Ich sehe das so: Nach Fukushima wird die Branche es schwer haben, ihren Standpunkt zu verteidigen. Die Investoren haben durch Fukushima und die wiederholten und massiven Kostenüberschreitungen der Branche Angst bekommen. Sobald den Steuerzahlern die verschiedenen Bedrohungen und der riesige Umfang der Kosten bewusst werden, für die sie aufkommen müssen, wird die Anti-Atomkraft-Bewegung neuen Schwung bekommen. Der Erfolg des Atomausstiegs in Deutschland wird viele davon überzeugen, dass Kernkraft noch nicht einmal das »geringste Übel« ist. Somit werden relativ wenige Reaktoren in den nächsten zehn bis 15 Jahren gebaut werden und fast alle in zentralistisch regierten Ländern wie China.
Dann muss es nur noch zu einer ernsthaften Terrordrohung gegen einen älteren Kernreaktor in Amerika oder in Europa kommen, der eine weltweite Panik auslösen wird. Es muss noch nicht einmal wirklich zu einem Angriff kommen. Ein eindeutiger Beweis dafür, dass ein solcher Angriff möglich ist, würde schon ausreichen. Die Aktienkurse der Kraftwerksbetreiber würden so schnell ins Bodenlose stürzen, dass den Investoren keine Zeit mehr bliebe, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen. Die Regierungen wären gezwungen, sofort alle existierenden Reaktoren abzuschalten oder zumindest ein nicht verhandelbares Programm für den Ausstieg zu verkünden, das Neubauten für alle Zeiten ausschließt. Sogar Frankreich und China hätten keine andere Wahl mehr. In dieser Phase wären die Argumente für eine atomfreie Alternative (basierend auf umfangreichen Investitionen in Effizienzsteigerung, erneuerbare Energien, Kombinationen von Wärme- und Stromerzeugung sowie CO 2 -Abscheidung und -Speicherung an allen Gas- und Biomassekraftwerken) überwältigend.
Das wäre das Ende der Atomkraft.
Jonathon Porritt (Brite, geboren 1950) ist Gründungsvorstand des Forum for the Future ( www.forumforthefuture.org ) und Co-Director des Prince of Wales’ Business & Sustainability Programme sowie ehemaliger
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