2065 - Mission Hundertsonnenwelt
richtete sich in der Mitte auf, das Stielauge tanzte wild unter der Decke. „Komm, wir nehmen einen anderen Ausgang und schleichen uns um das Haus herum zu dem Gleiter!" Die Terranerin gab ein merkwürdiges Geräusch von sich und nickte ihm zu. Er fuhr ein Pseudohändchen aus, reichte es ihr. Sie ergriff es, ließ sich dann von ihm mitziehen. Bruno, der bisher wie ein Drache über seine Fabrik gewacht hatte, konnte es mit einemmal nicht mehr erwarten, sie dieser sympathischen Terranerin zu zeigen. Sie würde staunen.
Es gab wieder eine Hoffnung. Das allein zählte. Am liebsten wäre er zu Quost, Cassim und den anderen zurückgekrochen, um ihnen zu sagen, dass noch nicht alles umsonst gewesen war. Aber das hatte Zeit. Noch besser war es, wenn er sie mit dem fertigen Produkt überraschte. Sie gingen um das Haus herum, Bruno auf einem halben Dutzend strammen Beinen, und näherten sich vorsichtig dem Gleiter. Die Terranerin stieg als erste hinein, Bruno folgte ihr, indem er eine entsprechend günstige Form annahm, auf den Copilotensitz. Jetzt sah er mit etwas Phantasie aus wie ein Mensch aus zäher Knetmasse. Vier Stielaugen sahen in alle Richtungen. „Und wohin jetzt?" fragte Bré, nach dem sie den Gleiter gestartet hatte. „Dorthin", sagte er und zeigte nach links. „Immer an den Kuppeln der Posbis entlang. Ich weise dir schon den Weg ..."
„Langsam könnten sie zurückkommen", sagte Daniela May zu Hamish O'Brian. „Sie sind jetzt schon über eine Viertelstunde fort, und wir stehen hier wie bestellt und nicht abgeholt. Die Matten-Willys starren uns an, aber wenn wir mit ihnen sprechen wollen, schweigen sie wie gehabt. Allmählich geht mir das auf die Nerven."
„Auch sie warten auf Bruno", meinte Hamish. „Er muss ja ein toller Kerl sein, wenn sie so von ihm reden - in den höchsten Tönen."
„Und das, obwohl er in einer theaterreifen Szene hier hereingekrochen kam und laut schrie, dass alles umsonst gewesen sei."
„Ihr Glaube an ihn muss so stark sein, dass die Willys sich dadurch nicht beeindrucken ließen." Der Botschaftssekretär warf einen Blick auf seinen Zeitmesser.
Das Schweigen war auch ihm mittlerweile unheimlich. Nur dann und wann stöhnte eines der amorphen Wesen. Hier klappte ein Stielauge herunter, dort bildeten sich neue Gliedmaßen, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Es war ein Bild des Elends und des Jammers. „Ich glaube, ich sehe einmal nach unserem Gleiter", kündigte er an. „Vielleicht liegt ein Funkspruch von der Botschaft vor."
„Und ich?" fragte sie. „Glaubst du, ich bleibe allein hier in diesem... Sarg?" Er lächelte und nahm ihre Hand. „Entschuldige bitte, Dany. Ich wäre sofort zurückgekommen. Aber ich kann dich verstehen. Also gehen wir beide und warten im Gleiter auf Bré Tsinga." Er wandte sich an Quost. „Wenn unsere Freundin mit Bruno zurückkommt, sagt ihr bitte, dass wir im Gleiter sind."
„Ja", lautete die eintönige, müde Antwort. „Komm", sagte Daniela, „bevor auch ich trübsinnig werde." Sie verabschiedete sich von den Matten-Willys, ohne dass ihr Gruß erwidert wurde. Der Zustand der Wesen kam ihr noch schlimmer vor als zu Beginn ihres Aufenthalts in ihrer Siedlung. Sie beeilte sich, vor Hamish durch den langen Korridor ins Freie zu gelangen - und blieb wie angewurzelt stehen. „Unser Gleiter!" rief sie aus. „Wo ist er?"
„Weg", stellte Hamish nüchtern fest. „Das sehe ich auch. Ein Matten-Willy kann ihn nicht fliegen. Also ist Bré Tsinga mit ihm verschwunden!"
„Bestimmt hatte sie einen guten Grund und ist bald zurück. Immerhin hat der Regen aufgehört."
„Sie hätte uns Bescheid sagen müssen", tobte die Botschafterin. „Du verteidigst sie nur wegen ihrer schönen Augen!"
„Deine sind schöner", sagte er grinsend. „Nun komm, wir werden eben hier warten. Oder willst du lieber einen Fußmarsch bis zu unserer Niederlassung machen?"„Wenn dir der Sinn nach sportlicher Betätigung steht, tu du's doch!" Hamish seufzte und versuchte, über seinen Armbandminikom Kontakt zum Gleiter herzustellen - umsonst. Entweder Bré Tsinga wollte nicht antworten, oder sie konnte es nicht, weil sie sich nicht in dem Fahrzeug befand. „Es ist schon gut", sagte Daniela und boxte ihn leicht gegen den Arm. „Ich habe mich schon wieder beruhigt. Du hast Recht, sie muss einen Grund gehabt haben. Dann warten wir eben." Er sah zum Himmel, wo sich eine dunkle Wolkenwand heranschob. Wenn sie nicht bis auf die Haut durchnässt werden wollten, mussten sie
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