2066 - Der Thronfolger
dahin noch nicht gegeben hat. Normalerweise gibt es keine unmittelbaren Kontakte zwischen dem Imperator und der Journaille. Oh, diese Bezeichnung gefällt dir nicht? Ich lasse sie dennoch stehen." Der Cel'Mascant verschränkte die Arme vor der Brust, und einige Minuten lang blickte er nachdenklich auf die Frau hinab, die seit einem schweren Unfall in der Klinik leben musste. „Marchany hat dir erzählt, dass deine anderen Kinder nach dir gefragt haben und dich besuchen wollen. Eine barmherzige Lüge, meine Liebe. Sie werden nicht kommen. Marchany ist die einzige, die sich um dich kümmert. Ich bin sicher, dass sie dir anvertraut hat, weshalb Bostich I. ihr die Akkreditierung gegeben hat und was zwischen den beiden vorgefallen ist. Ich will es wissen, und ich werde es aus dir herausholen." Der Geheimdienstchef lächelte die Frau drohend an. „Du erschrickst? Ja, das kann ich dir ansehen. Und du hast Recht. Es wird nicht angenehm für dich werden - es sei denn, du rückst freiwillig mit deinem Wissen heraus. Nun, die Zeit drängt, und die Ereignisse überstürzen sich. Ich brauche die Informationen sehr schnell. Überlege es dir! Noch heute kehre ich hierher zu dir zurück, und spätestens dann wirst du mir mitteilen, was ich wissen will. Haben wir uns verstanden?" Er beugte sich über sie und tätschelte ihr spöttisch lächelnd die Wange. „Du bist ein braves Mädchen, Aranchael Sirquana Olezth. Du wirst tun, was ich von dir verlange."
Sargor da Progeron neigte sich noch weiter vor, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von dem ihren entfernt waren. „Solange ich Chef des Geheimdienstes bin, hat es noch nie jemanden gegeben, der etwas vor mir verheimlichen konnte. Wenn du mir die Informationen nicht gibst, hole ich sie mir bei deinen Kindern. 0 nein, nicht bei Marchany. Ich weiß, dass du sie nicht magst und dass du sie verfluchst, weil sie schuld an deinem Unfall ist. Du gönnst ihr alles Übel, das ich über sie bringen könnte. Aber leider brauche ich sie noch, meine Gute. Deshalb werde ich mir notfalls erst einmal diejenigen deiner Kinder vornehmen, die du besonders liebst!" Er richtete sich lautlos lachend auf, winkte ihr spöttisch zu und verließ den Raum. Er meinte, die hasserfüllten Blicke der alten Frau in seinem Rücken zu spüren. Schon bald würde er wissen, was zwischen Bostich I. und Marchany vorgefallen war.
Marchany da Camqoa arbeitete nur noch mechanisch und ohne nachzudenken. Sie war mit ihren Gedanken nicht bei den 128 Adligen im Saal der Imperatoren, sondern gab sich mehr und mehr ihren Erinnerungen hin. Es war am 18. Prago des Tarman 21.418 da Ark gewesen. Wie betäubt von der Liebesnacht hatte sie den Kristallpalast verlassen. Ein Erlebnis wie dieses hatte sie noch nie zuvor gehabt. Für eine Nacht war sie in einer anderen Welt und dabei mit einem Mann zusammengewesen, der in ihren Augen eine absolute Ausnahmestellung einnahm und mit keinem anderen Mann zu vergleichen war. Wenngleich er ihr gegenüber seine Seele nicht geöffnet und ihr nur wenige Einblicke in seine Gefühle gewährt hatte, stellte er doch alles für sie dar, was sie sich als Frau gewünscht hatte.
Die Trennung war ihr außerordentlich schwer geworden. Bostich war der Mann, den sie aufrichtig hätte lieben können. Doch er war der Imperator, und sie stand im gesellschaftlichen Rang so tief unter ihm, dass niemals mehr als eine Liaison für eine Nacht in Frage kommen konnte. Anders wäre es gewesen, wenn ihre Familie nicht durch eine böswillige Intrige um Rang und Vermögen gebracht worden wäre. So aber war Marchany da Camqoa keine Dame aus den höchsten Adelskreisen, sondern nur eine erfolgreiche Journalistin, eine Frau aus dem Volk, die sich niemals mit dem Imperator auf eine Stufe stellen durfte. In einem Park hatte sie sich auf eine Bank gesetzt und sich in der Morgensonne gewärmt. Sie hatte sich bemüht, ihrer Gefühle Herr zu werden, und sie hatte sich mit einem Gedanken auseinandergesetzt, der nicht von ihr weichen wollte.
Immer wieder fragte sich Marchany, ob die Liebesnacht Folgen für sie haben würde. Sie war der Einladung in den Palast gefolgt, ohne an ein Verhütungsmittel zu denken, und auch später war ihr nicht in den Sinn gekommen, eine Empfängnis zu verhindern. Bostich I. hatte sich um dieses Problem ebenfalls nicht gekümmert. Was wäre, wenn diese Liebesnacht ein Kind zur Folge hätte? Was wäre, wenn sie die Mutter eines Kindes würde, dessen Vater der Imperator wäre? Sie wollte kein
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