209 - Die fliegende Stadt
Jakk Son selbst oder aber am unterbezahlten Straußler lag, war ihm egal. Er wäre vor ein paar Stunden beinahe gestorben, nicht zuletzt wegen Jakk Son.
Der Züchter und Aspergina trieben ihr mieses Intrigenspiel bereits zu lange. Mittlerweile war sich Hau Mikh sicher, dass die beiden hinter den als Unfälle getarnten Anschlägen steckten. Sie wollten ihn aus dem Weg schaffen, um Crella nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Um nicht zu riskieren, dass die Mistress eines Tages durch seinen Einfluss erkannte, wie unsinnig dieses Gerede um den »prophezeiten Auserwählten« war. Crella war zu verblendet und infiziert von dem Ausblick auf Ruhm und Macht an der Seite des Regenten de Rozier, um das von allein zu erkennen.
Jakk Son, mit dem ewig schmierigen Lächeln auf den Lippen, tippte sich zur Begrüßung an den Hut und wies seine kleinen Helfer an, die Transportkisten mit den Tieren in den Hof zu schleppen und dann nach Rassen sortiert abzustellen.
»Ich hoffe, du bringst diesmal keine deiner Kreuzungen mit?«, mahnte Hau Mikh mit abschätzig gebogenem Mundwinkel. »Gestreiftes Viehzeug kann ich nicht gebrauchen. Das verfüttere mal schön an deine mutierten Springböcke.«
»Die immer noch Hauptbestandteil deiner Bestellliste sind!«, konterte Jakk Son. »Wo sonst bekommst du so zartes, makellos weißes Gazellenfleisch her, hm?« Der Safaariman baute sich mit in die Seiten gestemmten Armen vor ihm auf und blickte auf ihn herab. Hau Mikh wurde klein und kleiner.
Er war ein Denker, kein Kämpfer.
Der andere grinste gönnerhaft. »Aber lass uns nicht streiten, mein Freund. Ich bringe dir, was du wünschst, und noch eine große Überraschung dazu. Ach, was rede ich… eine riesige Überraschung hab ich dabei!«
Angeber. Hau Mikh tat unbeeindruckt. »Dann zeig her, damit ich prüfen kann, ob es essbar ist.«
»O nein, nichts für die Küche. Etwas, das die Augen deiner Mistress über alle Maße erfreuen wird! Und deshalb werde ich es nur ihr persönlich präsentieren.«
Einen Moment lang blickten sie sich prüfend in die Augen.
»Was ist es diesmal?«, fragte Hau Mikh schließlich. »Aus deiner letzten Sensation hat sie sich ein Paar Stiefel machen lassen, weil der possierliche Albino-Python ätzenden Schleim durch die Haut abgesondert hat.«
Jakk Son zuckte leidenschaftslos mit den Schultern und winkte zwei Träger mit einer Kiste heran. »Der hier ist was zum Spielen.« Er zwinkerte, und Hau Mikh wurde langsam neugierig.
So viel nahm sich der Safaariman selten heraus. Diesmal hatte er offenbar etwas wirklich Interessantes im Gepäck, statt sich wie sonst mit faulen Versprechungen eine Audienz bei der Mistress zu erschleichen.
»Zeig mir, warum ich meine Herrin überreden soll, dich vorzulassen.«
Jakk Son schüttelte den Kopf. »Das ist nur für ihre Augen bestimmt.«
Hau Mikh straffte seine Haltung. »Sie hat genug von deinen Lügengeschichten und deinen unverschämten Forderungen. Ohne Begutachtung melde ich dich nicht an.«
»Dann sag ihr nur dieses eine Wort…« Jakk Son beugte sich zu ihm herunter, ganz nah vor sein Gesicht, spitzte die Lippen und flüsterte: » Orzowei.«
***
»Zeig ihn mir!«, befahl die Mistress ungeduldig. »Wenn das wieder einer deiner Tricks war, um eine Audienz zu erhalten, wirst du diesmal mit einem Körperteil bezahlen, an dem du sehr hängst!«
Hau Mikh stand neben seiner Herrin. Neugier und Angst mischten sich zu einem schwer verdaulichen Klumpen in seinem Magen.
Es konnte nicht der Auserwählte sein! Diese Prophezeiung war ein Märchen, ersonnen von der Voodoo-Priesterin. Hatte der Safaariman gewagt, sich zum Gott aufzuschwingen? Hatte er einen weißen Mann gezüchtet?
Dann ist alle Hoffnung dahin. Crella wird mich verstoßen.
Ich wäre schutzlos. Verloren.
Während Jakk Son mit einem langatmigen Sermon die Transportkiste im Empfangssaal abstellen und ausrichten ließ, klammerte sich Hau Mikh an die mit Schnitzereien verzierte Lehne des Regentschaftsstuhls.
Es rumpelte in der Holzkiste, als würde jemand von innen gegen die Wände treten. Die Palastwachen standen abwehrbereit zwischen Crella Dvill und ihrem Geschenk. Fast wünschte Hau Mikh, es würde sich dabei um einen fresswütigen Gepaad handeln.
Sein Mund fühlte sich trocken an, so wie am Tag zuvor, als er vor seiner Herrin am Boden gelegen hatte, ihre Klinge am Hals. Parasit hatte Aspergina ihn genannt. Es war das erste Mal gewesen, dass sie seinen Tod laut gefordert hatte. Am Ende hatte ihn seine
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