21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
allmählich nieder, und dann gab es eine wasserlose, breite Mulde, in welcher wir Platz hatten und galoppieren konnten, weil es da nur Gras und weder Baum noch Buschwerk gab. So kam es, daß wir Madana, die zu Fuß ging, jetzt wieder erreichten und nun, um sie den nötigen Vorsprung erreichen zu lassen, wieder langsam reiten mußten.
Sie hatte sich noch gar nicht weit von uns entfernt, so blieb sie stehen und winkte uns sehr lebhaft, zurückzubleiben, doch war es da schon zu spät, denn einesteils befanden wir uns ihr und auch dem Grund ihrer Warnung schon zu nahe, und andernteils gab es hier keinen Gegenstand, hinter den wir uns hätten verstecken können. Wir sahen auch gleich die Ursache, wegen der sie uns gewinkt hatte: Es war ein einzelner Reiter, welcher, wie suchend, von seitwärts her geritten kam und froh zu sein schien, jemandem zu begegnen. Er lenkte sein Pferd auf sie zu. Da er uns nun einmal gesehen hatte und sie ihm vielleicht eine Antwort geben konnte, welche nicht zu unseren Absichten paßte, setzten wir unsere Pferde wieder in Galopp und kamen infolgedessen zu gleicher Zeit mit ihm bei ihr an. Es war ein Offizier mit den Hauptmannsabzeichen. Er wandte sich nun nicht an sie, die Frau, sondern an uns Männer, mit der militärisch kurzen Frage:
„Gehört ihr zum Stamm der Dawuhdijehs?“
„Ja“, antwortete der stets schnellfertige Halef, was mir aber in diesem Fall lieb war, da ich auf diese Weise die Unwahrheit nicht selbst zu sagen brauchte.
„Ihr kennt doch euern Scheik Ismael Beg?“
„Natürlich!“ nickte der Hadschi dreist.
„Ich suchte ihn an seinem Lagerplatz, der ist aber leer; wo steckt der Mann?“
„Er steht mit unseren Kriegern da hinten am Fluß, um auf die Hamawands zu warten, die uns überfallen wollen.“
„Wieder einmal? Diese Hunde geben niemals Ruhe! Ich wollte mich von ihm nach dem Kulluk führen lassen, in welchem die alte Bagidscha (Hexe) steckt. Ich komme wegen ihr aus Kerkuk. Der dortige Pascha sendet mich, den Mülasim abzulösen, der nichts aus ihr herausgebracht hat.“
Dieser Mann war sehr unvorsichtig offenherzig! Bis jetzt hatte Halef sich ganz richtig verhalten; nun aber mußte ich die Sache in die Hand nehmen, wenn kein Fehler gemacht werden sollte. Darum fragte ich den Offizier:
„Warst du denn beim Kaimakam in Suleimania, dem der Mülasim verantwortlich ist?“
Der Hauptmann betrachtete mich mit einem forschenden Blicke, ob ich wohl der Mann sei, ihm eine solche Frage vorlegen zu dürfen. Das Resultat schien befriedigend ausgefallen zu sein, denn er antwortete:
„Natürlich war ich dort. Ich habe ihm des Paschas Vollmacht vorgelegt und darauf seine Unterschrift bekommen, die ich dem Mülasim vorzuzeigen habe.“
„Ist das notwendig? Kennt dich der Mülasim denn nicht?“
„Nein.“
„Aber von unseren Kriegern werden dich doch wohl einige kennen?“
„Das glaube ich nicht, denn ich bin noch nie bei euch gewesen.“
„So sollst du den Mülasim ablösen?“
„Ja.“
„Er soll also fort?“
„Ja.“
„Wann?“
„Heut gleich oder morgen, wie es ihm beliebt; er hat nichts mehr zu sagen. Er hat kein Geschick, das Geheimnis aus diesem Weib herauszubringen. Der Kaimakam hat mir euern Lagerplatz beschrieben; ich fand ihn leer. Dann suchte ich den Turm, bin aber, wie es scheint, ganz irr geritten. Ihr wißt doch wohl, wo er liegt?“
„Ja.“
„So führt mich hin!“
Das klang so befehlshaberisch, daß ich antwortete:
„Du scheinst zu meinen, daß wir Zeit dazu haben?“
„Zeit oder nicht! Ihr führt mich hin, und zwar den geradesten Weg! Ich bin ein Offizier des Pascha. Verstanden?“
„Tahht el Amr (Zu Befehl)! Wir gehorchen. Deine Gnade mag die Güte haben, hier an meiner Seite zu reiten!“
Ich winkte Madana. Sie schritt mit ihren langen Beinen weit aus, und wir folgten ihr. Der Hauptmann schien ein sehr stolzer, auf sich eingebildeter Mensch zu sein; er sprach kein Wort mit mir. Das war mir aber lieb, wie ich hier wohl gar nicht erst zu versichern brauche. Er hätte mich durch Fragen in die größte Verlegenheit bringen können. Zu wünschen war nur, daß uns niemand begegnete, denn es war ein Plan in mir entstanden, der durch das Zusammentreffen mit einem Dawuhdijeh unausführbar werden mußte, und das wäre jammerschade gewesen!
Nachdem wir längere Zeit schweigend nebeneinander hergeritten waren, schien der Hauptmann es doch für geraten zu halten, ein Wort zu sagen. Er fragte mich:
„Bist du ein gewöhnlicher
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