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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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„Wo hat man denn diesen Effendi je einmal gesehen, ohne daß ich dabeigewesen wäre, ohne den er nicht leben und nichts Gescheites machen kann! Ja, kommt, damit auch die andern die Wonne unsers Anblicks genießen!“
    Es würde hier zu weit führen, die Szene des Wiedersehens zu beschreiben und die hin und her schwirrenden Fragen und Antworten ausführlich zu bringen. Ich mußte mir große Mühe geben, diese braven Leute vor unvorsichtigen Äußerungen zu bewahren, weil der Hauptmann doch nicht erfahren durfte, wer sie und wer Halef und ich waren. Als sie sich endlich beruhigt hatten und wir beisammensaßen, erzählte uns der Raïs von dem Verschwinden Marah Durimehs und dem vergeblichen Bemühen, sie aus dem Turm zu befreien. Es war nicht mehr, als was wir schon von Madana gehört hatten. Der Offizier war an einen Baum gebunden worden, so weit von uns, daß er nicht verstehen konnte, was der Raïs sagte. Als dieser seinen Bericht beendet hatte, fuhr er, zu mir gewandt, fort:
    „Und nun hat Madana uns gesagt, daß du uns helfen willst. Ist das wahr, Effendi?“
    „Ja“, antwortete ich.
    „Wir hatten dich zum Vorbild genommen; wir wollten ganz nach deiner Weise listig handeln; aber was nützt die Klugheit, wenn – – – wenn – – – wenn – – –“
    „Wenn man sie nicht besitzt“, fiel Halef lachend ein.
    Anstatt dies übelzunehmen, stimmte der Raïs bei:
    „Ja, beinahe, das wollte ich auch sagen! Wir stecken schon so lange Zeit hier, ohne daß uns ein Plan kommen will.“
    „Und kaum ist mein Sihdi hier erschienen, so ist bei ihm der Plan schon fertig! Ich sehe es ihm an. Immer, wenn er das eine Auge kleiner macht, hat er einen listigen Talab (Fuchs) im Kopf sitzen. Habe ich recht, Effendi?“
    Ich nickte.
    „Seht ihr es? Er zog das eine Auge zusammen, folglich weiß er, was er machen will. Und der Gedanke, den er hat, ist jedenfalls ein fröhlicher. Ich kenne sein Gesicht!“
    „Hat Halef es wirklich erraten?“ fragte der Raïs.
    „Ja“, antwortete ich; „aber daß ich meine Gedanken durch meine Augenmuskeln verrate, das habe ich selbst noch nicht gewußt. Ich werde in Zukunft besser auf mich achten.“
    „So erlaube, daß ich mich verwundere, Effendi! Wir haben ohne Aufhören nachgedacht, um einen ausführbaren Plan ausfindig zu machen, doch vergeblich. Und du hast einen Entschluß, nachdem du erst einige Minuten bei uns bist!“
    „Ich hatte ihn schon, als ich kam. Das ist nicht etwa ein Zeichen von größerer Klugheit, sondern der Zufall war mir günstig. Halef, erinnerst du dich der Fragen, welche ich dort dem Hauptmann vorgelegt habe?“
    „Ja, Sihdi.“
    „So weißt du, daß er nicht nur bei den Dawuhdijehs vollständig unbekannt ist, sondern daß ihn auch der Mülasim im Kulluk noch nicht kennt. Er hat Legitimationen bei sich, denen der Mülasim gehorchen muß. Ist es da nicht selbstverständlich, daß ich an seiner Stelle nach dem Turm gehe?“
    „Du – – – an seiner Stelle – – – als Hauptmann – – –? Effendi, das ist freilich ein Gedanke von solcher Größe und von solcher unendlichen Erhabenheit, als ob er nicht in deinem, sondern in meinem Kopf entstanden wäre!“
    „Ich danke dir für diese großartige Anerkennung, mein lieber Halef! Ein größeres Lob konntest du ja gar nicht aussprechen. Ich bin unendlich stolz darauf!“
    „Das glaube ich, denn ich weiß, daß es für dich das erhabenste der Gefühle ist, mein Wohlgefallen zu besitzen. Aber meinst du nicht, daß es besser wäre, wenn ich an deiner Stelle ein türkischer Hauptmann würde?“
    „Nein.“
    „Warum nicht? Hältst du mich für zu dumm dazu?“
    „Dumm? Du weißt, daß ich in dir stets den Inbegriff aller Klugheit sehe; aber siehe die Gestalt des Hauptmannes an! Würde dir sein Anzug passen?“
    „Ja Allah! Da hast du freilich recht! Wer an seiner Stelle nach dem Kulluk will, der muß in das Innere dieses Anzugs wandern, und die Länge und Breite, welche er besitzt, würde mir höchst unbehaglich sein!“
    „So siehst du also, daß ich diese Rolle selbst übernehmen muß. Dazu gehört, daß ich den Kulluk vorher erst einmal sehe. Wie weit liegt er von hier?“
    „Nur eine Viertelstunde“, antwortete der Raïs. „Ich bin bereit, ihn dir zu zeigen. Dieses Versteck hier konnte gar nicht günstiger so in der Nähe liegen. Madana hat es entdeckt. Die Dawuhdijehs scheinen keine Ahnung von dem Vorhandensein dieses Platzes zu haben.“
    „Ja, führe mich! Die andern

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