210 - Unter dem Vulkan
angefasst. Dann ist sie aus dem Schneider – und ich bin tot.
»Ich überlege mir, wie man es am besten bewerkstelligen kann«, erwiderte er, um Almira erst mal hinzuhalten. Dann kam ihm eine Idee. »Entschuldige, aber mir fällt in deiner Gegenwart das Denken momentan ziemlich schwer…«
Almira tätschelte ihn und kicherte. »Du gefällst mir. Du bist wirklich ein schöner Mann.«
Matt errötete. »Danke.«
»Nun ja, du bist etwas blass.« Ihr Gesicht war jetzt nur noch Zentimeter von ihm entfernt.
»Ach, wirklich?«
»Rulfan ist allerdings blasser.«
»Ähm… ja.« Hinter Matt knackte etwas. Er spürte, dass Almira sich versteifte.
»Was war das?« Sie sprang auf. Matt schnappte erleichtert nach Luft, stand ebenfalls auf und schaute sich um. Hoffentlich hatte man Almiras Verschwinden nicht bemerkt und suchte nach ihr…
»Ich glaube, es war das Tier.«
»Was für ein Tier?« Matt spitzte die Ohren und versuchte die Finsternis mit Blicken zu durchdringen.
»Das Tier, das auf der alten Brücke war.« Almira legte die flache Hand an die Stirn; die Geste ließ sie indianerhaft wirken.
»Als ihr uns auf den Kopf gefallen seid.«
Chira? Matt schaute sich um, sah aber nichts.
Er lauschte noch ein, zwei Minuten, aber alles blieb ruhig.
Schließlich machte er den Vorschlag, auf getrennten Wegen ins Lager zurückzukehren, damit niemand vermuten konnte, dass sie sich miteinander verschworen hatten. Zu seiner Überraschung hatte Almira nichts dagegen.
»Bis später, Maddrax.« Sie warf ihm eine Kusshand zu und verschwand zwischen den Bäumen.
»Mach’s gut, Almira.«
Matt blieb nachdenklich zurück. Natürlich hielt er als demokratisch gesonnener Mensch nichts von Zwangsehen. Er hatte schon vor fünfhundert Jahren nichts davon gehalten.
Andererseits hatte sich in dieser neuen Welt die Demokratie als Regierungsform noch nicht wieder durchgesetzt.
Er hätte Almira gern geholfen, sich dieser Ehe zu entziehen, doch wie? Sie waren in der Wildnis. Er hatte einen kranken Freund, der medizinische Hilfe brauchte, und er war nur ein Gast dieser Leute.
Was würde passieren, wenn er und Rulfan sich heimlich mit Almira aus dem Staub machten? Noah und die Boiis würden sie vermutlich verfolgen, aufspüren und vom Leben zum Tode befördern. Angenommen, Almira stellte sich, wenn man sie schnappte, als armes Opfer hin?
Es war vielleicht besser, ihr den Rat zu geben, erst mal abzuwarten. Vielleicht war Maitre Magnan ein netter Kerl und behandelte sie mit Respekt und Hochachtung.
Wie kommt es nur, dachte Matt auf dem Rückweg ins Lager und seufzte leise, dass ich kein Wort von dem glaube, was ich mir gerade einzureden versuche?
***
Nächster Morgen. Beim Frühstück – es gab zur Abwechslung geröstete Schlange, denn die Boiis hatten am Abend zuvor gejagt – erfuhr Matt etwas mehr über Maitre Magnan.
»Er ist nicht gut gelitten beim Kaiser, der in seiner Himmelsstadt im Luxus schwelgt und nicht weiß, wie schwer das Leben der kleinen Leute hier unten am Boden ist.« Noah seufzte so übertrieben treuherzig, dass Matt sofort verstand, dass er es ironisch meinte. Vermutlich waren die Boiis allesamt linientreu, und er wollte ihnen keine Gelegenheit einräumen, ihn als Kritiker des Propheten einzuschätzen. »Der Kaiser duldet keine Häuptlinge alten Stils in seinem Reich, denn er glaubt, dass sie die alten und überholten Stammesstrukturen wieder aufbauen wollen.« Noah grinste. »Maitre Magnan hat sich aber bislang allen kaiserlichen Drohungen und Erziehungsmaßnahmen erfolgreich widersetzt – nicht zuletzt dank seiner großen Anhängerschar, die wenig von Parlamenten, aber sehr viel von starken Männern an der Spitze hält – und dem Rückhalt, den der Vulkangott ihnen bietet.«
»Der was?« Matt schaute auf. Es war noch nicht lange her, da hatte Noah ihm zu verstehen gegeben, dass er nicht an Götter glaubte; schon allein deswegen hätte Matt erwartet, dass er den Vulkangott den »so genannten Vulkangott« nannte.
Noahs Blick deutete auf die Boiis, die aufstanden, um die Arachniden einzuspannen. Matt erhob sich, um sich die Beine zu vertreten. Die Schlange hatte ihm gemundet; vermutlich lag es an den Gewürzen, die die Karawane mit sich führte.
»Der Kilmaaro ist vor einiger Zeit ausgebrochen«, fuhr Noah fort, als sie hinter den Kutschen standen und den vor ihnen liegenden Pfad überschauten. »Er hat viel Leid über das Land gebracht, aber den Propheten und seine Gefolgsleute verschont – wie Magnan es
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