212 - Das Skelett (German Edition)
Stimme, älter, erfahren.
»Hallo Herr Boerner, mein Name ist Dr. Dachsler aus Hamburg. Ich habe von Herrn Chlebnikov Ihre Nummer erhalten u…«
Er unterbrach mich.
»Dr. Dachsler, Artjom hat mir eine SMS gesendet und Ihren Anruf avisiert. Was haben Sie auf dem Herzen, erzählen Sie frei heraus .«
Ich erzählte ihm von mein em Dilemma, es dauerte etwa sechs Minuten, er unterbrach nicht ein einziges Mal.
»Gehörtes ist nicht schön, aber es gibt Schlimmeres. Das bekommen wir schon hin.
I ch sitze in meinem Büro in Bonn, wo ich auch wohne, und werde morgen zu Ihnen nach Hamburg kommen. Mit dem Auto ist es mir zu anstrengend, also werde ich wohl aus Köln einen Flieger nehmen. Aus unserer Kanzlei in Düsseldorf wird auch noch eine Juristin dazustoßen. Sie ist ein wandelndes Lexikon und überaus attraktiv. Eigentlich benutze ich sie nur dazu, trockene Beamte, wie sie in diversen Behörden oft rumsitzen, gehörig zu irritieren. Ich benötige von Ihnen noch kurz ein paar Daten und Informationen sowie ein paar Namen von Beteiligten.
Vielleicht könnten Sie uns ja morgen am Flughafen einsammeln. Dann werden wir gemeinsam agieren.«
Ich teilte ihm alles, was er wissen wollte, mit. Es fühlte sich irgendwie beruhigend an, er quälte mich nicht mit irgendwelchen juristischen Fachausdrücken, die ich sowieso nicht verstand, sondern beschränkte sich aufs Wesentliche. In mir flammte ein wenig Hoffnung auf, diese wenigen Minuten gaben mir mehr Zuversicht, als mein Rechtsanwalt in Hamburg mir vermitteln konnte. Im Anschluss googelte ich herum und brachte über Professor Boerner ein wenig in Erfahrung. Eigentlich war er wohl schon im Ruhestand und lehrte auch nicht mehr. Mit sechsundachtzig Jahren ja auch nachvollziehbar. Mit der jungen Juristin aus Düsseldorf meinte er sicherlich seine Enkelin. Seltsam, aber ich freute mich auf die beiden. Das dürfte amüsant werden, war nur ein weiterer Gedanke.
Und so war es auch .
Ich schlief in der folgenden Nacht so gut wie gar nicht. Beate schmollte und hielt sich auf Sylt auf. Morgens rief mich eine Sekretärin aus Boerners Kanzlei an und gab mir die Ankunftszeit der beiden durch. So nahm ich unseren Mercedes-ML und holte die beiden am Flughafen ab. Die Begrüßung war kühl und reserviert. Was hatte ich erwartet, neue Freunde? Susanne, die Enkelin von Professor Boerner, haute mich nicht um.
Zwar h übsch, mittelgroß, für mich aber nicht schön, eher vulgär und zu blond. Ihre Nase hatte einen leichten Schiefstand, den sollte man mal korrigieren.
Sie wollte auffallen und provozieren.
Drall, aber echt – mehr fiel mir dazu nicht ein.
Wir waren nicht auf einer Wellenlänge, sie war eine affektierte Ziege, aber mir war es ja egal. Der alte Fuchs besaß ein schönes hohes Alter und wirkte so fit. Boerner beeindruckte mich wirklich, er konnte locker als Sechziger durchgehen. Jedes seiner wenigen Worte saß, er hatte Stil und war ein Gentleman. Groß, adrett gekleidet, wie es sich für solch eine Persönlichkeit gehört. Sie trug seine und ihre eigene Aktentasche. Beide waren aus glänzendem Leder und sehr schmal. Ansonsten hatten sie beide keinerlei Gepäck, also wollten sie Hamburg wohl wieder recht schnell den Rücken kehren.
»Dr . Dachsler, es ist nun 10:17 Uhr, wenn meine Uhr richtig geht. Wir haben um 11:15 einen Termin bei der zuständigen Staatsanwaltschaft mit Herrn Willy Teschner. Bitte treten Sie aufs Gaspedal, ich hasse es, zu spät zu erscheinen.«
Also folgte ich seiner Anweisung und gab Gummi. Während der Fahrt stellten sie beide nicht eine Frage bezüglich meiner Steuervergehen. Ich war mittlerweile doch wieder völlig verunsichert.
Staatsanwalt Teschner empfing uns und wurde von Minute zu Minute ruhiger . Für mich war es beklemmend, mir gingen wiedermal die irrsten Gedanken durch den Kopf. Gefängnis! Dann hörte auch ich konzentriert zu. Susanne Boerner war ein fauchender Drache in schöner Gestalt, eher ein Pitbull. Das war wohl ihre Masche. Es wackelten ganze Aktenschränke, sie versprühte donnernde Wortpfeile. Großvater Boerner legte immer wieder nonchalant seine Hand auf ihren Arm. Er sprach erstmal nicht allzu viel. Es sollte wie eine leichte Maßregelung aussehen und gehörte sicherlich zu ihrem Programm. Wenn ich nicht der Betroffene gewesen wäre, hätte ich mich kringelig gelacht. Hahaha!
Sie war wie aufgezogen, ich gebe nur einen kleinen Teil wieder:
»Verehrter Kollege Teschner, bei allem nötigen Respekt. Sie und die Steuerfahnder
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