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2132 - Der Saltansprecher

Titel: 2132 - Der Saltansprecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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den Klostervorsteher, der sie ihm erteilt hatte. Zu gerne hätte er gefragt, weswegen man ihn so hart bestrafte, aber Olibec hatte ihm keine Gelegenheit dazu gegeben. Und jetzt war es wohl zu spät, denn das Redeverbot schloss natürlich auch den Vorsteher ein.
    Seine Gedanken kreisten darum, verbissen sich in das Problem, bis nichts mehr in seinem Denken existierte als die Frage nach dem Warum. Immer wieder rannte er gegen die Mauer des Unverständnisses an. Er hatte nichts getan, und doch bestraften sie ihn. Er hatte in der Welt, die ihm gabraunizisz offenbarte, seine Freiheit gefunden, und doch sperrten sie ihn ein. Er hatte sein Schicksal erkannt, und doch verweigerten sie es ihm. Warum?
    Irgendwann bemerkte Tieger, was er tat. Er schüttelte den Kopf und zog mühsam die Schublade auf, in die diese Gedanken gehörten. Erst als sie wieder geschlossen war, nahm er seine Umgebung wahr, spürte den Hunger in seinen Eingeweiden, das Kribbeln in seinen Füßen und die Müdigkeit, die schwer auf seinen Augenlidern ruhte. Die Lampe war längst erloschen, und so musste sich Tieger über den Boden tasten, um das Tablett mit Nahrung zu finden. Mit der Hand aß er den kalten Eintopf, schlang das Brot hastig hinunter und leerte den Wasserkrug.
    Dann tastete er sich zurück zur Pritsche und schloss die Augen. Wie ein Stein sank sein Geist in die Tiefe der Träume hinab, vorbei an Olibecs Gesicht und an Sebor, der ihn flüsternd beschimpfte. Seine Mutter tauchte vor ihm auf, verschwand jedoch, bevor er sie berühren konnte. Wortfetzen drangen an sein Ohr. „... ist Gozin ..."
    „... Follmonk wartet deine Bestimmung ..."
    „... denk daran ..." Etwas schälte sich aus der Dunkelheit, glitt auf ihn zu. Er wich zurück, aber der Schatten wurde schneller, schoss nach vorne, bis er nichts sah außer einem weit aufgerissenen Maul voller spitzer Reißzähne und... Etwas schlug gegen seine Schulter. Mit einem Schrei fuhr Tieger hoch und starrte in das hässlichste Gesicht, das er je gesehen hatte.
    Olibec hatte nicht lange gewartet, bevor er die gemeinsame Sitzung einberief. Pernaq zählte sieben Mönche, den Vorsteher und sich selbst an dem steinernen Tisch im großen Konferenzsaal. Natürlich hielt sich Olibec an die göttliche Zahl Neun, um die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen auf ein Minimum zu reduzieren. Pernaq lehnte sich zurück und betrachtete den Raum, den er für den schönsten im ganzen Kloster hielt. Er lag im obersten Stockwerk und blickte über die Unterstadt und die Ebene hinweg, bis sich die Landschaft im Flimmern des Horizonts verlor. Keine Wand trennte den Raum von der Außenwelt, nur ein Kraftfeld, das man bei Bedarf ausschalten konnte. Wegen des Sandes und des Windes kam das jedoch so gut wie nie vor.
    Die restlichen drei Wände waren mit Malereien bedeckt, die von der Geschichte Follmonks berichteten. Seit Jahrtausenden galten die Mönche des Klosters als enge Vertraute der Prinzenkrieger, und jedes Treffen zwischen ihnen wurden stolz dokumentiert. Es gab nur wenige Klöster, die sich einer solch wichtigen Stellung rühmen konnten. Pernaq wusste, dass er keinen Anteil an diesem Erfolg hatte. In seinem ganzen Leben war ihm keine Vision erschienen, selbst damals nicht, als er heimlich gabraunizisz genommen hatte, um seinen Göttern nah zu sein. Es war ihm nicht gelungen.
    Vielleicht war gerade das der Grund, warum ihn die Visionen so faszinierten. Die Theorie besagte, dass die Propheten gabraunizisz verwendeten, um Zugang zum Wissen ihrer Götter auf Zabar-Ardaran zu bekommen. Pernaq hatte aber in zahlreichen Gesprächen erfahren, dass jeder Mönch seine Visionen auf eine ganz eigene Weise empfand. Manche verglichen sie mit einer komplizierten Berechnung, andere mit einem langen Lauf, dessen Ziel man erschöpft und zerschlagen erreichte. Es schien keinen allgemein gültigen Nenner zu geben. Er fragte sich, wie Tieger seine Visionen wahrnahm. „Ich danke. euch allen für euer promptes Erscheinen", sagte Olibec in diesem Moment. Er trat an das Kopfende des Tisches und legte seine Hände auf die Stuhllehne. „Wie ihr wisst, haben wir einen unerwarteten Neuzugang, einen Jungen namens Tieger." Ein paar der Mönche sahen sich kurz an.
    Auch unter denen, die während der Experimente abwesend gewesen waren, schien sich die Nachricht bereits herumgesprochen zu haben. In Gemeinschaften wie diesen waren Gerüchte und Neuigkeiten ein wichtiger Teil des Lebens.
    Olibec reagierte nicht auf die plötzliche, kaum

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