2156 - Stimme des Propheten
ewiges Zwielicht, genauso wie früher auf unserer Welt, und es gibt keine Erdbeben, keine sintflutartigen Niederschläge, sondern es ist alles wunderbar gleichmäßig. Cauto entspricht Trokan vor dem Zusammenbruch des Zeitrafferfeldes. Und er liegt nicht weit von hier."
„Ich frage mich nur, wie du ausgerechnet auf diesen Wunderplaneten gestoßen bist", sagte Presto Go unverblümt. „Es war eine Eingebung, mehr kann und will ich nicht dazu sagen", meinte Zagi gelassen. Caljono Yai wunderte sich über diese Zurückhaltung nicht im Geringsten. So war er schon immer gewesen; orakelhafte Sprüche waren bei ihm an der Tagesordnung. Manchmal gab er sie ganz bewusst von sich, häufig lag es aber an seiner Zerstreutheit, weil sein Geist längst wieder in anderen Sphären weilte. Jetzt aber gefiel es ihm, ausgerechnet vor der Obersten Künderin den Geheimnisvollen spielen zu können. „Dein Einfluss auf ihn ist nicht gering", giftete Presto Go, die das genau erkannte. „Du bist nicht mehr so bedeutend wie früher", meinte Yai gleichgültig, umschloss ihr Nas-Organ mit den bei den Daumen und strich bedächtig daran entlang. „Lassen wir das." Presto Go wedelte unwirsch mit der Hand. „Zagi, hast du dir bereits Gedanken darüber gemacht, wie du die Auswanderung bewerkstelligen willst? Wie willst du von hier nach Cauto kommen? Wir verfügen über kein Raumschiff, geschweige denn über eine ausgebildete Mannschaft. Und das ist noch nicht alles. Wie willst du dort eine neue Existenz gründen, mit den bescheidenen Mitteln, die wir haben?"
„Ich ... wäge gerade alles ab", antwortete Viorel Zagi langsam. „Mit anderen Worten, du hast keine Ahnung."
„So ist es. Aber ich bin kein Mann der Tat, Go. Kein Planer, Organisator. Ich bin Philosoph mit einer prophetischen Gabe. Ich habe gesehen, dass wir es tun müssen, weil wir sonst untergehen. Dieser Moment der Erkenntnis war der schlimmste meines ganzen Lebens. Ich fühle mich dazu getrieben, das Volk aufzurütteln, zu erkennen, dass wir hier nicht mehr bleiben können."
„Und wenn alle auf deiner Seite sind ... was dann?"
„Es ist noch lange nicht so weit."
„Ach so, du hofftest wohl auf eine weitere prophetische Erleuchtung."
„Es geschieht alles so, wie es muss", meinte der Philosoph schlicht. „Und jetzt bin ich hier, bei dir." Presto Go schwieg eine Weile. Dann stützte sie sich auf den Stock und wanderte mit Stelzschritten in dem kleinen Besucherraum im Hauptsitz des Cleros umher. Das Kniegelenk konnte genau wie der Ellbogen in zwei Richtungen gebeugt werden; das gestattete eine große Beweglichkeit, die jedoch beim Gehen vor allem Terranern seltsam erschien. Wie jeder Herreach trug sie keine Schuhe, denn die Füße bestanden aus einem kurzen, verhornten Fußbett und vier stark gespreizten, langen und beweglichen Zehen, die für den Stelzschritt den bestmöglichen Halt ermöglichten. „Meine Knochen sind sehr alt und trocken", sagte die Oberste Künderin schließlich. „Ich spüre das Alter jeden Tag deutlicher. Die Träume machen mir keine Angst, darüber bin ich längst hinaus. Dennoch bin auch ich nicht immun gegen diese seltsamen Bilder, den ständigen Druck in meinem Kopf. Er lähmt mich, ermüdet mich, und ein- oder zweimal war ich schon so weit, nur herumzuliegen und zu schlafen.." Sie stieß ein krächzendes Lachen aus. „Man stelle sich vor, ich lasse mich gehen! Hältst du das für möglich, Yai?"
„Nein", gestand die ehemalige Mahnerin aufrichtig. „Es ist ernst." Presto Go ließ den linken Arm hängen; er reichte fast bis zu den Knien. „Manchmal habe ich das Gefühl, ich löse mich auf, und im linken Arm fängt es an ... Ich habe dann kein Gefühl mehr in ihm. Aber das liegt nicht am Alter, sondern an diesem verheerenden übernatürlichen Druck. Ich weiß nicht, wie ich dagegen angehen soll."
„Niemand weiß das", sagte Viorel Zagi ruhig. „Und ich glaube, es gibt auch keine Hilfe."
„Ja, ich denke, das hast du wirklich richtig erkannt." Die Oberste Künderin beendete ihre Wanderung, kehrte auf ihren Platz zurück und ließ sich ächzend nieder. „Ich will nicht sterben. Ich mag alt sein, doch ich bin hoch nicht so weit, einfach zu resignieren. Aber ich befürchte, dieses Schicksal droht uns letztlich allen - und in nicht mehr allzu ferner Zeit. Ich habe sehr lange über eine Lösung nachgedacht und mich natürlich mit deinem Vorschlag befasst."
Caljono Yai und Viorel Zagi plusterten erwartungsvoll ihre Nas-Organe auf. Konnte es sein,
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