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2156 - Stimme des Propheten

Titel: 2156 - Stimme des Propheten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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weitere Kreise. Ganz Trokan war im gleichen Maß betroffen. Immer mehr Bauern verließen ihre Höfe und flohen auf der Suche nach Hilfe in die Städte. Niemand wollte mit seiner Angst allein bleiben. Auf Trivid wurde weiterhin jeden Morgen das Gebet ausgestrahlt. Im Anschluss daran sprach Viorel Zagi, den man inzwischen den „Propheten" nannte, seinen Artgenossen Mut zu und forderte sie auf, ihm nach Cauto zu folgen. „Wir können es schaffen", versprach er, „wenn wir es nur alle wollen."
    Der Philosoph beschrieb Cauto als das Paradies für die Herreach schlechthin, wenngleich er sich über die genaue Position ausschwieg und auch nie sagte, wie man überhaupt dorthin gelangen sollte. Darüber machten sich die meisten Herreach keine Gedanken. Sie sahen Viorel Zagis Aufruf als einzige Lösung aus dem Dilemma an. Trokan war nicht mehr sicher genug für sie. Viele Herreach empfanden ihre Welt nicht mehr als Heimat. Sie fühlten sich unerwünscht, geradezu abgestoßen wie Fremdkörper. Der Zulauf nach Moond nahm jeden Tag zu. Außerhalb der Städte mussten bereits Notlager errichtet werden, weil die Millionenstadt aus allen Nähten platzte, obwohl zusätzlich in nahezu jeder Wohnung auswärtige Herreach einquartiert wurden.
    Die terranischen Wissenschaftler betrachteten dies mit Sorge. Etwaige Einwände wurden vom Cleros rundweg abgelehnt. „Solange die Terraner uns nicht helfen können, sollen sie sich auch nicht einmischen", ließ Presto Go durch einen Sprecher verlautbaren. Natürlich hatte sie Recht damit; es war allein Sache der Herreach, wohin sie auf ihrem Planeten gingen. Das öffentliche Leben ging schließlich weiter, lediglich in den Dämmerstunden bildeten sich immer größer werdende Kreise zu Gebetstrancen. Eines Tages kam Lahne Cur aufgeregt zu ihrer Mutter. „Gerade eben hat Presto Go angerufen", berichtete sie. „Sie möchte dich und Zagi so bald wie möglich bei sich sehen!"
    Die Oberste Künderin war inzwischen neunundneunzig Jahre alt. Ihr einst zwei Meter langer, längst leicht gekrümmter hagerer Körper war gebrechlich geworden. Sie musste sich beim Gehen auf einen Stock stützen, und ihr ungewöhnlich kleines, runzliges Nas-Organ wirkte eingefallen.
    Aber ihre eng beieinander stehenden Augen zeigten durch leuchtendes Grün einen ungebrochenen Lebenswillen. Nach wie vor trug sie die gelbe, fein gewebte Kutte mit dem blauen Oval auf der Rückseite. „Du hast dich nicht verändert, Yai", sagte sie zu der ehemaligen Mahnerin, die einst in glühender Hingabe Kummerogs Tempel gedient hatte. Der vor dreiundzwanzig Jahren entstandene, durch die Ankunft der Terraner ausgebrochene Streit schwelte immer noch zwischen ihnen. „Und du hegst die feste Absicht, unsere höchste Lebensspanne von einhundertzehn Jahren zu übertreffen, nehme ich an", gab Caljono Yai zurück. „So leicht gebe ich nicht auf." Amüsiert zog die Oberste Künderin das Nas-Organ leicht nach unten. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Viorel Zagi. „Ich nehme an, du kannst dir vorstellen, weswegen ich dich rufen ließ."
    „Dafür kann es nur einen Grund geben", bestätigte der Prophet. „Meine Ansprachen dürften von niemandem unbemerkt bleiben."
    „Sie haben eine große Unruhe in unser Volk gebracht."
    „Größer, als sie schon war?
    Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Die Herreach suchen nach einem Halt, sie stützen sich gegenseitig. Und ich gebe ihnen Hoffnung."
    Presto Go fixierte ihn nachdenklich. „Ist es denn eine berechtigte Hoffnung? Oder gaukelst du allen nur ein Hirngespinst vor?" Caljono Yai nahm sich zusammen, damit sie ihr Nas-Organ nicht nach unten zog. Der Verstand der alten Herreach war nach wie vor nüchtern und hellwach - und vor allem misstrauisch. Yai zweifelte nicht daran, dass Viorel Zagi mit ihr fertig würde. Allerdings hatte selbst sie noch keinen eindeutigen Beweis für die Existenz dieses Planeten namens Cauto bekommen. Sie vertraute ihrem Partner allerdings, so dass sie sich nicht die Mühe machte, genauer nachzuforschen. Es gab Wichtigeres zu tun. „Ich lüge niemals", antwortete Zagi. „So viel solltest du über mich wissen, Go. Und ich bin sicher, dass du dich längst kundig gemacht hast. Du weißt, dass es den Planeten tatsächlich gibt. Aber ich werde es dir gern sagen: Cauto ist ein höchst karger Sauerstoffplanet, der seiner Sonne stets dieselbe Seite zukehrt. Die Librationszone zwischen Tag und Nacht ist von Stürmen durchtost und trägt wenig Vegetation. Aber dort herrscht

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