219 - Kaiserdämmerung
beruhigend über sein Gesicht. »Alles gut, Rulfan. Alles gut. Zarr hat uns gerettet.«
Dieser Meinung war Rulfan nicht. Ganz und gar nicht. Er schnellte hoch und suchte den Schwarzpelz.
Zarr hockte vor dem Brückenaufgang. Er atmete schwer und wich Rulfans Blick aus.
»Sie waren angeschnitten!«, brüllte Rulfan. »Die Planken waren angeschnitten!«
***
Nur noch schwach leuchtete das Licht der untergehenden Sonne durch das Laub der Bäume. Die Gefährten hatten sich in einer kreisrunden Senke niedergelassen, die im Schutze mächtiger Findlinge und knorriger Ebenholzgewächse lag.
Zarr blies in die Glut, um das kleine Feuer zwischen den Steinen in Gang zu halten. Stunden waren seit dem Vorfall an der Brücke vergangen. Die Nackthaut hatte ihn angreifen wollen, aber Lay war dazwischen gegangen. Seither hatte niemand mehr mit ihm gesprochen. Weder Lay, noch Rulfan.
Unter den misstrauischen Augen des Albinos hatte Zarr die Brücke ausgebessert. Starke Äste und dünne Baumstämme legte er über das Loch. Führte das Kamshaa über die Brücke. Wollte Lay hinüberhelfen. Aber sie ließ ihn nicht. Schaute ihn nicht mal an.
Der Zilverbak warf einen verstohlenen Blick zu dem Findling, unter dem Lay jetzt schlief. Die Weißhaut saß bei ihr und glotze böse herüber. Schnell wendete Zarr sich wieder dem Feuer zu. Missmutig warf er Reisig in die noch schwachen Flammen. Irgendwann mussten sie ja wieder mit ihm reden.
Anscheinend war der Albino der gleichen Meinung. Jedenfalls stand er auf und näherte sich ihm. »Komm mit! Ich habe mit dir zu reden!«, raunte er ihm im Vorbeigehen zu.
Normalerweise reagierte Zarr nicht auf Befehle anderer. Nur denen seines Vaters Azzarr, dem großen Subabak des Taraganda-Stammes. Zögernd schaute er der weißen Nackthaut nach, die behände den Hang der Mulde hinauf kletterte. Er wollte wohl Lay nicht wecken. Knurrend griff sich Zarr seine Machete und folgte ihm.
Der Albino erwartete ihn auf einem moosbewachsenen Platz zwischen einer Gruppe Baumriesen. »Das muss aufhören, Zarr«, sagte er ernst.
Zarr tat ahnungslos. »Verstehe nicht!«, entgegnete er.
»Deine Eifersucht!« Das hätte sich die Nackthaut besser verkniffen. Pfeilschnell war der Silberrücken bei ihm und zeigte seine langen Fangzähne. »Ich breche Gesetz? Ich, Sububabak Zarr?«
Eine tiefe Falte zerfurchte die Stirn des Albinos. Mit gestrafften Schultern trat er dicht an Zarr heran. »Du hast dich nicht im Griff, Zarr. Deine Eifersucht hat beinahe Lays Leben gekostet! Ist es nicht so?« Der unterdrückte Zorn in seiner Stimme war unüberhörbar.
Entrüstet wich der Zilverbak zurück. »Lügner! Töte Lay nicht!«
»Aber mich wolltest du töten!«, entgegnete Rulfan,
Ja, dachte Zarr, dich töten. Jetzt gute Gelegenheit! Seine Faust umschloss den Griff der Machete. Mit einem Satz war er bei Rulfan. Doch er kam nicht dazu, ihm die Klinge durch den weißen Hals zu ziehen. Die Weißhaut war schneller. Seine Schwertspitze hing an Zarrs Kehle.
Der Zilverbak grunzte wütend. Er spürte den warmen Atem des Kontrahenten auf seinem Gesicht. Dessen rote Augen schienen zu glühen. Der Ausdruck darin verblüffte ihn: Die Weißhaut war bereit, ihn zu töten! Eine falsche Bewegung, und er wäre ein sehr toter Zarr.
Lange Zeit standen sie so da. Keiner ließ die Waffe sinken. Keiner sprach ein Wort. Erst als sie Lay rufen hörten, ließ Zarr seine Machete fällen. »Kämpfen ohne Waffen! Verlierer geht!« Er wartete erst gar nicht auf die Zustimmung des Albinos. Rasch löste er den Waffengürtel und stürzte sich auf seinen Gegner. Die Weißhaut sprang zur Seite.
Zarr landete bäuchlings auf der Erde. Benommen stemmte er seinen gewaltigen Körper auf. Als er sich umdrehte, landete Rulfans Faust auf seiner Nase. Zarr fauchte zornig vor Schmerzen. Er taumelte zurück. Im Hintergrund hörte er Lay rufen. »Rulfan, was tust du?« Die Weißhaut wandte sich ihr zu.
Ich zermalme dich!, dachte Zarr. Er packte den Albino im Rücken.
»No, Zarr! No!«, schrie Lay jetzt. Aber das störte den Zilverbak nicht mehr. Er wälzte sich mit Rulfan am Boden. Während er versuchte, ihn in die richtige Position zu bringen, um ihm den Hals umzudrehen, rammte die Nackthaut ihm das Knie in seine Weichteile.
Zarr blieb die Luft weg. Stöhnend rollte er sich von dem Körper des Albinos. Ein merkwürdiger Geruch stieg ihm in die Nase: Es roch nach Schwefel und verbrannter Erde.
Er schaute auf. Lay und Rulfan standen schweigend nebeneinander. Rulfan
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