21st Century Thrill - Mind Games
das?“
Cäsar rieb sich den Schweiß vom Gesicht. Ein Mann mit einer riesigen Kamera trat unter den Bäumen hevor und richtete sein Objektiv auf das Marx-Engels-Denkmal. Er trug Jeans und ein T-Shirt mit der Aufschrift „University of Virginia“. Sein Gesicht war zur Hälfte von einer gigantischen Sonnenbrille bedeckt.
„Die spinnen, die Amis“, brummte Cäsar. Er beugte sich zu Kris herunter. Als er den Mund öffnete, traf Kris der saure Atem des Mannes wie ein Faustschlag. Angewidert wich er zurück.
„Was glaubste wohl, Junge, womit am allermeisten Geld zu machen ist in der Welt? Hm? Du handelst mit Öl, mit Drogen, mit Frauen oder mit Medikamenten. Der Profit ist einmalig. Was da an Kies gemacht wird, das kann sich kein Piepmatz vorstellen. Erst recht keiner, der sich jeden Tag zu seinem stumpfsinnigen Job schleppt.“
Der Mann mit dem „University-of-Virginia“-T-Shirt drehte sich zu ihnen um. Er lächelte und machte ein Foto.
„He!“, rief Cäsar erbost. „Die Touris bilden sich auch ein, sie könnten einen ablichten wie die Kamele im Zoo.“
„Sie meinen, den Pharmakonzernen ist es egal, ob ihre Medikamente ein paar Leute ausknocken? Solange sie Profit machen?“
„Du hast es erfasst, Junge.“ Cäsar nickte bedeutungsschwer. „Das sind Gangster. Richtige Ganoven. Erinnerste dich an den Fall, in dem eine Firma wissentlich HIV-positive Blutkonserven weiterverkauft hat? Nee, biste wahrscheinlich noch zu jung.“
„Aber …“
„Geil, wenn wir alle Aids kriegen und Krebs und Alzheimer. Umso mehr verdienen die Pharmafritzen. Denen graust vor gar nichts. Die ziehen ihr Geschäft durch.“
Kris hielt sich den Kopf. Der Amerikaner trabte langsam auf das Marx-Engels-Denkmal zu. Seine Kamera wog er dabei in der Hand. Es schien, als würde er noch mal in ihre Richtung fotografieren, aber das wäre doch etwas übertrieben. So interessant waren sie nun auch nicht.
„Wo genau ist die Potsdamer Klinik?“
„Die wurde nach den Todesfällen geschlossen. Das Gebäude haben sie ein halbes Jahr später abgerissen.“
„Mist.“ Auch diese Hoffnung war dahin. Kris hatte es für Bruchteile von Sekunden für möglich gehalten, dass Aki nach Potsdam gebracht worden war.
„Sei auf alle Fälle vorsichtig.“ Cäsar nickte Kris zu, bevor er schnaufend wie eine Lok davonstapfte. Er quetschte sich durch den Pulk von Touristen, klopfte Marx auf den Kopf und verschwand.
Kapitel 22
Kris lief und lief. Sein T-Shirt klebte ihm am Rücken. Er war am Verdursten. Doch er hatte nicht die geringste Lust, im Halbdunkel bei Frances zu sitzen. Vor allem nicht vor einem Computer. Die Gedanken in seinem Kopf waren völlig verkleistert.
Was tun wir da eigentlich?, dachte Kris, als er die Spree überquerte und über die Museumsinsel hastete. Wir fummeln an irgendeiner blöden Geschichte über die superehrgeizige Ellen Lennart herum. Aber Aki ist weg!
Wieder brach der Schmerz in ihm mit einer Heftigkeit auf, die ihm den Atem nahm. Alle Überlegungen, die er, Val und Jon hin- und hergewälzt hatten, schienen ihn immer weiter weg von der eigentlichen Frage zu führen: Warum war Aki entführt worden?
Kris ging langsamer. Mit einem Mal war er überzeugt, dass er, Jon und Val in eine komplett falsche Richtung dachten. Sie hatten Aki als auswechselbares Opfer gesehen. Aber war das logisch? Wenn jemand den Aufwand betrieb, mit einem halben Dutzend Dunkelmännern auf dem Hausboot einzubrechen und Aki zu kidnappen, musste dieser Jemand dafür einen sehr guten Grund haben.
Und die Kameras?
Kris blieb stehen und sah sich unentschlossen um. Ein Pulk Touristen schleppte sich über den glühenden Asphalt Richtung Pergamonmuseum. Ihm war nicht nach Menschenansammlungen. Deshalb wandte er sich nach links und tigerte zum Alten Hafen.
Aki konnte die Kameras kaum angebracht haben. Warum sollte sie das tun? Sie war noch nie ängstlich gewesen. Im Gegenteil: Beim Fallschirmspringen und Kiten genoss sie sogar die Gefahr! Zu welchem Zweck hatten die Typen Aki entführt? Aus dem Fernsehen kannte Kris eigentlich nur eine Absicht hinter Entführungen: Der Gangster wollte Lösegeld erpressen. Dazu musste er aber mit den Angehörigen der Geisel in Verbindung treten, um seine Forderungen an den Mann zu bringen.
Bisher hatte sich niemand bei Kris gemeldet. Und andere Verwandte gab es nicht.
Wo aber sollte ein Entführer sich melden? Kris’ Kehle brannte. Sein Handy war ja abgesoffen!
In einem Edeka-Markt kaufte er eine Flasche Wasser. Vor
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