21st Century Thrill - Mind Games
Kris.
„Pah!“, machte Jon. „Mein Vater ist schon öfter bei Recherchen abgeblitzt. Sein eigener Chefredakteur hat ihn zurückgepfiffen, wenn eine Story zu heiß wurde.“
„Die Pharmaindustrie ist ziemlich mächtig“, nickte Val. „Die wollen sich ihre Geschäfte nicht verderben lassen.“
Kris dachte an Cäsar.
Am allermeisten Geld machst du mit Öl, mit Drogen, mit Frauen oder mit Medikamenten.
„Die Kameras auf dem Boot“, murmelte Kris.
Die beiden anderen sahen ihn verwirrt an.
„Cäsar sagte, in dieser Forschungsklinik wären überall Kameras gewesen. Die Versuchspersonen standen immerzu unter Beobachtung.“
„Und?“, fragte Jon.
„Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wer die Kameras auf der Susanna angebracht hat. Aki scheidet aus. In ihrem Normalzustand wäre sie nie auf so eine Idee gekommen, und wenn, dann hätte sie mir was gesagt.“
„Aber sie war, zumindest als du von den Projekttagen zurückkamst, naja, ziemlich paranoid, würde ich sagen“, widersprach Jon.
Eine Welle von heißer Wut raste durch Kris’ Körper. Der erste Impuls war, Jon eins auf die Nase zu geben. Draußen auf der Straße heulte ein Martinshorn auf.
„Psychotische Patienten würden aber keine Kameras anbringen“, erwiderte Kris so ruhig er konnte. „Im Gegenteil: Die haben eher Angst, dass sie vom Rauchmelder observiert werden oder dass jemand durch die Steckdose zu ihnen spricht.“
„Wenn aber nicht Aki die Kameras auf eurem Boot installiert hat“, machte Val weiter, „muss es jemand anderes gewesen sein. Und wer? Jemand, der den Überfall und Akis Entführung filmen wollte?“
„Wer sollte das wollen?“
Vals Finger spielten Klavier auf der Tischplatte. Als ob sich ihre Gedanken in ihren Fingerspitzen überschlugen.
„Das können wir nur auf der Susanna rausfinden.“
„Wieso?“, fragte Jon matt.
„Na, weil die Kameras dort irgendwas aufnehmen sollten, darum!“
„Val, ich habe nichts Besonderes gesehen. Und die Polizei hat alles abgegrast, aber nichts gefunden, was helfen würde, Aki aufzuspüren“, wandte Kris ein.
„Ich behaupte ja nicht, dass wir sofort was entdecken, das uns hilft, auf Akis Spuren zu kommen. Allenfalls indirekt.“
„Sie spricht in Rätseln“, grinste Jon.
Idiot, dachte Kris.
„Packt euch ein, Jungs. Wir fahren raus zum Gosener Kanal.“
„Jetzt? Es ist spät!“ Jon zeigte aus dem Fenster. Der Abend tauchte die Straße in ein unwirkliches, orangerotes Licht.
„Angsthase!“ Val stemmte die Hände in die Hüften. „Jede Minute zählt. Oder etwa nicht?“
„Mein Vater kommt bald …“, bettelte Jon um Gnade.
„Du meinst, er findet das nicht grandios, dass sein Sohn einen kleinen Ausflug zur Susanna unternimmt?“ Missbilligend schüttelte Val den Kopf.
Jon kapitulierte.
Sie fuhren zum Alexanderplatz und stiegen in die S 3 nach Erkner um. Die Strecke hatte früher zu Kris’ Alltag gehört. Siedend heiß wurde ihm klar, dass es wieder einen Schnitt durch sein Leben gab. Der erste Riss war der Tod seiner Eltern gewesen. Danach war alles anders geworden. Der Überfall und Akis Verschwinden war die zweite Katastrophe. Er lehnte den Kopf an das schmierige Fenster. Während die S-Bahn sie in die Berliner Außenbezirke trug, das Tageslicht in ein samtenes Blau überging und die Häuser weniger wurden, ging ihm auf, dass wieder einmal nichts mehr so sein würde wie zuvor.
Trotzdem fühlte er sich zum ersten Mal seit Tagen ansatzweise entspannt. Endlich tat er mal etwas Echtes. Er traf nicht nur schräge Vögel oder hockte vor dem PC, um irgendwas im Internet zu recherchieren.
Jons Hand legte sich auf Vals Oberschenkel. Val schüttelte sie ab. Kris sah weg.
Als sie in Wilhelmshagen ausstiegen, hing die Dämmerung über dem kleinen Ort. Keine Menschenseele war unterwegs.
„Okay. Vorschläge, Jungs. Wie kommen wir zur Susanna ?“
„Trampen?“, schlug Jon vor.
Kris fand, es war das Konstruktivste, was sein Kumpel bisher beigetragen hatte.
Val war nicht dieser Meinung.
„Hier sind ja Tausende Fahrzeuge unterwegs, von denen uns bestimmt gern einer mitnimmt“, gab sie sarkastisch zurück.
„Bessere Idee?“, ärgerte sich Jon.
„Zu Fuß.“ Kris ging einfach los. Die Zankereien nervten ihn. Fast kam es ihm so vor, als ob Val und Jon die ganze Situation als Spiel betrachteten. Val nutzte sie aus, um zu prahlen, wie clever sie war, und Jon würde vermutlich alles mitmachen, um mit Val zusammen zu sein, selbst wenn er dabei Kris’ Anwesenheit
Weitere Kostenlose Bücher