21st Century Thrill - Mind Games
ertragen musste.
„He, jetzt warte doch mal!“, hörte er Jon hinter sich nörgeln.
Aber Kris’ Beine liefen wie von selbst. Ihm ging das alles so auf den Geist! Wenn einer sich diese Story nicht gewünscht hatte – bitte, es war Kris Roloff! Er war so gereizt, dass er immer schneller lief, schließlich in einen leichten Trab fiel und erst vor der Kirche nach Atem ringend stehen blieb.
Frühe Symptome einer Psychose sind Reizbarkeit, Unruhe, Stimmungsschwankungen.
„’n Abend, Kris“, sagte jemand zu ihm.
Kris fuhr herum. Hinter ihm wuchs Gerd Belling aus dem Boden. Ein Typ in Akis Alter, der eine Pension am Dämeritzsee betrieb und seine Gäste öfters mit dem Stocherkahn durch den Gosener Kanal in den Seddinsee schipperte. Im Sommer machte er am Hausboot meist kurz Halt, um zu plauschen.
„Ach, hallo Gerd!“
„Sag mal, man hört ja so einiges. Was war los da auf der Susanna ?“
Kris wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er würde diese schreckliche Geschichte nicht noch einmal zum Besten zu geben. Val und Jon schlossen auf.
„Aki … arbeitet eine Weile direkt in der Werbeagentur“, erfand Kris eine Ausrede. Er nickte zu seinen Freunden hinüber. „Gerd, könntest du uns zur Susanna fahren? Ich will … ein paar Sachen holen.“
„Klar.“ Neugierig beäugte Gerd Val und Jon. Sein braunes Haar stand strubbelig um seinen Kopf.
„Das sind Freunde von mir“, stellte Kris vor. „Gerd ist okay“, schob er flüsternd nach.
Unablässig quatschend führte Gerd sie zu seinem Jeep. Sie fuhren durch den Forst zur Susanna . Währenddessen breitete Gerd den gesamten Dorfklatsch vor ihnen aus: Wer im Krankenhaus lag, wer mit wem ging, wer sich scheiden ließ. Er berichtete, dass in Hessenwinkel eingebrochen worden war und die Pensionen am See sich gegenseitig die Gäste streitig machten. Kris verdrehte die Augen.
Schließlich hielt der Jeep mit quietschenden Bremsen an der Stelle, wo der Trampelpfad durchs Gehölz zum Kai führte. Zwischen den Bäumen war es stockfinster. „Hier wären wir. Soll ich warten?“
„Nicht nötig“, versicherte Val.
„Na ja, dann. Ich muss ohnehin weiter, kriege noch Gäste heute Abend.“
Er wendete und jagte mit aufheulendem Motor davon.
Unschlüssig standen die drei auf dem Forstweg. Kris hatte vergessen, wie finster es hier draußen sein konnte. Kein Straßenlampen, das nächste Haus weit entfernt, die nächste größere Straße nicht zu sehen. Dennoch war ihm jeder Baum vertraut. Selbst in totaler Finsternis hätte er noch den Einstieg in den Trampelpfad gefunden.
„Also los!“, kommandierte er und quetschte sich zwischen den Haselnusssträuchern durch. „Mir nach.“
Kapitel 24
Es war ein seltsames Gefühl, wieder nach Hause zu kommen. Alles war vertraut. Kris kannte das Knarren jeder einzelnen Planke. Der Bewegungsmelder ließ die Außenbeleuchtung anspringen. Als Kris den Schlüssel in das Kajütschloss steckte, wollte er rufen: „Hi, Aki, bin zurück.“ Er biss sich auf die Lippen.
Hatte er das jetzt laut gesagt?
Hatte er nicht. Kein Wort war über seine Lippen gekommen.
Psychose: Sprunghafte Gedanken, Realitätsverlust, Stimmen.
Ihm wurde schwindelig.
„Leg einen Zahn zu!“, beschwerte sich Jon. Über dem Wasser trug seine Stimme weit. Auch das war seltsam vertraut. Wie deutlich sich jedes noch so kleine Geräusch in den Vordergrund drängte in einer Umgebung, in der es keinen Lärm gab. Ein Fisch, der aus dem Wasser sprang und zurückplatschte. Irgendwo das Quaken eines Frosches. Und ein Motorrad, das weit weg jaulend über die Gosener Landstraße heizte.
Er stieß die Tür auf. Val machte Licht. Alles sah aus wie immer. Bis auf den ungewohnt aufgeräumten Arbeitstisch.
Kris setzte sich auf das Schlafsofa. Er war wie betäubt.
Das hier war der schlimmste Moment seit dem Überfall. Diese Vertrautheit, die gleichzeitig nichts war als ein leerer Raum. Ohne Sinn. Ohne irgendetwas, das ihn noch mit diesem Ort verband.
Typische Symptome einer psychotischen Störung: innere Unruhe, Aufgewühltheit, sogar Angst und Panik.
Angst und Panik. Ja, das traf es ziemlich genau.
„All right. Lasst uns logisch denken“, machte Val sich bemerkbar. Sie guckte zur Decke. „Wo war diese Kamera, Kris?“
Er zeigte ihnen die Stelle. „360-Grad-Optik. Das Ding konnte rundum alles aufnehmen.“
„Hm“, machte Val.
„Die andere war draußen unter dem Kajütdach.“
„Hm, hm.“
Jon wechselte einen Blick mit Kris. Sie hatten beide keine
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