21st Century Thrill - Mind Games
Quietschen zerschnitt die Stille wie ein rostiges Messer.
Kris hielt den Atem an. „Wo sind wir?“
Ellen schloss die Tür hinter ihnen und zog ihn weiter.
„Der Keller hat eine separate Stromversorgung. Wurde vor 30 Jahren als Atombunker gebaut. Irgendein Spinner hatte Angst vor der Bombe. Das System kann von oben nicht bedient werden und ist abgesichert gegen Blitzschlag und so weiter.“ Sie sprach jetzt lauter. „Wir sind hier völlig abgeschirmt.“
„Aber wie kommen wir raus?“ Kris spürte eine solch heftige Sehnsucht nach Tageslicht, dass er erschauerte. Seine Füße waren eiskalt.
„Abwarten.“ Ellen ließ seine Hand los und richtete den Strahl der Taschenlampe auf ihn. „Ich habe dir die Spritze mit dem Beruhigungsmittel nicht gegeben, Kris. Ich habe die Nadel knapp neben deinem Arm in die Matratze gerammt. Von den Beobachtungsräumen musste es so aussehen, als ob sie in deiner Vene landet.“ Sie setzte sich wieder in Bewegung.
„Warum ist der Strom ausgefallen?“ Er hastete hinter Ellen her durch gewundene Gänge, an deren Decken sich dicke Rohre wanden.
„Wir hatten ein furchtbares Gewitter. Halb Berlin ist ohne Strom.“
„Wir sind noch in Berlin?“
„Was dachtest du denn!“, gab Ellen abschätzig zurück.
Kris brummte der Schädel. Hatte Ellen wirklich die Seiten gewechselt?
Ellen blieb vor einer Tür stehen, auf der das Nuklearzeichen klebte. Sie klopfte dreimal.
„Wer ist da?“, kam es von innen. Vals Stimme!
„Wir sinds!“, antwortete Ellen.
Kris wischte sich die feuchten Finger an den Jeans ab. Dabei spürte er die drei Pillen unter dem Stoff.
„Kommt rein.“ Knirschend drehte sich die Tür in ihrer Verankerung wie die Kabinentür eines Flugzeugs. „Hat ja lange gedauert!“ Vals blondes Haar stand in alle Richtungen. Kris starrte sie an wie eine Erscheinung. Auf ihrer Stirn prangte ein blauer Fleck. Ihre Lippen waren aufgesprungen.
„Er hat Sperenzchen gemacht.“
„Habe ich nicht!“, brummte Kris.
Vals Blick wanderte von seinen Socken bis zu seinem Gesicht. In ihren Augen sah Kris etwas Ungewohntes. Entsetzen? Müdigkeit?
„Nun komm endlich rein!“, befahl Val knapp.
Er wollte sie umarmen. Und wollte es wieder nicht.
Etwas war anders geworden an Val.
Kapitel 38
Sie schlüpften durch die Tür. Val schloss sie, indem sie an einem Rad kurbelte, es schließlich mit einem Bügel blockierte und sagte: „Hier kommt keiner rein. Selbst mit Dynamit nicht. Die können draußen einen Atomkrieg führen. Wir würden nicht mal was mitkriegen.“
Sie ging voran. Ein Korridor, rechts und links Türen. An manchen klebten Poster in poppigen Farben.
„Woher kommt die Luft?“, fragte Kris.
„Ein ausgeklügeltes System. Ellen hat die Pläne gefunden.“
„Wie habt ihr das geschafft?“
„Nachdem Ellen sich mal entschieden hatte, auszusteigen, war es keine große Sache mehr.“
„Und du? Haben sie dir nichts gespritzt?“
„Ellen hat nur so getan, als ob. Aber bei dir hat ihr Boss wohl genauer hingeschaut. Übrigens: Aki ist hier.“
Kris blieb stehen. Seine Knie wurden weich.
„Was?“
„Aki ist hier. Wir haben sie mit hier runtergenommen.“ Val stieß die letzte Tür auf der linken Seite auf. Sie führte in einen Vorraum und von dort in ein großes Zimmer. Ein hässlicher brauner Teppich auf dem Boden. Vier Stockbetten an den Wänden. Regale voller Bücher, Wasserflaschen und Konserven. Ein Schrank ohne Türen, vollgestopft mit Medikamenten. In der Mitte ein Tisch und ein paar Stühle. Mit Abstrichen sah es aus wie in der Jugendherberge an der Ostsee.
In einem der unteren Betten lag eine Frau. Ihr dunkles Haar war über das Kissen gebreitet. Sie war abgemagert. Die Wangenknochen traten überdeutlich hervor.
„Aki?“, flüsterte Kris. Er ging neben dem Bett seiner Schwester in die Knie und fuhr ihr mit dem Zeigefinger übers Gesicht. Sein Herz raste.
Sie hob die Hand. Eine Dauerkanüle steckte darin, festgeklebt mit einem schmutzigen Pflaster.
„Hi, Kris“, sagte sie. „Ziemliche Scheiße, was?“ Ihre Stimme war so schwach, dass es Kris die Luft abschnürte. Bei jedem ihrer Atemzüge entstand ein pfeifendes Geräusch.
„Aki, was haben die mit dir gemacht?“
Sie lächelte und schloss die Augen.
„Was ist mit ihr?“ Kris fuhr herum. Ellen trat neben ihn.
„Wir können das Medikament nicht sofort absetzen, Kris“, sagte sie. „Das würde schwere Entzugserscheinungen auslösen. Deswegen reduzieren wir es. Tag für Tag. Bis sie
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