2217 - Die FemesÀnger
die jamischen Worte, beschleunigte die Melodie wie von selbst. Im einen Augenblick noch hörte Zephyda die Stimmen der Sängerinnen und ihre eigene, im nächsten verschmolzen sie alle zu einer Einheit. „Iisau ial ireld den", klang es durch ihr Bewusstsein. „Su stereei twen eltwen ..." Sie sang mit den Femesängern in einer einzigen Stimme. In ihrem Bewusstsein manifestierte sich eine ungeheure Kraft, entwickelte Druck und löste Angst in ihr aus.
Gleich platze ich! Zephyda spürte, wie sich der Choral immer weiter aufschaukelte, sich seinem Höhepunkt näherte, einem Höhepunkt, wie sie ihn selbst noch nie erlebt hatte. Sie vibrierte innerlich, eilte mit Lichtgeschwindigkeit einem mentalen Orgasmus entgegen. Die Angst wich einem unbeschreiblichen Glücksgefühl. Der Höhepunkt - eine Kaskade in Grün und Rosa, vermischt mit dem Blau des Himmels und dem Rot der Sonne - schloss sich an, nicht Ash, sondern Cain über ihrer Heimat Baikhal Cain. Die Schwelle! Ferne Sterne, ich komme! In diesem Augenblick verlor Zephyda die Kontrolle über sich. Die ganze Kraft, die sich in der kurzen Zeit in ihr gestaut hatte, floss mit einem Mal auf die Sängerinnen über, die sie wiederum reflektierten, eine gewaltige Woge, noch höher und heftiger, als Zephyda es beim ersten Mal erlebt hatte. Und diesmal stand sie nicht außerhalb, sie saß im Zentrum, sie bildete den Fokus, der alles konzentrierte und verstärkte, einen gewaltigen Wirbel aus Emotionen und Wahrnehmungen. Ein Sog entstand, riss sie mit sich, zog sie hinaus ins Universum, durchbrach Grenzen, die vor ihr noch nie ein Wesen durchbrochen hatte, entschwand ins Nichts und füllte es aus, erreichte eine noch größere Leere und verströmte darin, versiegte, erlosch ... Die Motana richtete sich mit einem Ruck auf. „Was ..." Sie stellte fest, dass es taghell war. Ihr Blick fiel auf die zwei Frauen, die links und rechts neben ihrem Lager aus Tierfellen saßen. Die eine kannte sie ziemlich gut, sie hatte eine Glatze. „Entschuldigt, ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich wollte bei Tagesanbruch aufstehen..."
„Du' erinnerst dich nicht?", fragte Anthloza. Zephyda zog die Augenbrauen hoch. „Woran sollte ich mich erinnern? Dass ich dem Gesang der Frauen lauschte? Das war gestern!"
„Und heute Morgen? Du warst in ihrem Zentrum. Weißt du das nicht mehr?"
„Nein."
„Du warst der Katalysator und gleichzeitig der Brennpunkt. In dem Augenblick, als du die Schwelle überschrittst, erlebten die Femesänger einen nie gekannten Kraftausbruch." Die Schwelle - etwas zupfte in Zephydas Gedanken, aber sie vermochte es nicht festzuhalten. „Wartet hier!" Sie eilte hinaus, rannte die Schlucht entlang und wieder zurück. Sie pumpte ihren Körper voll Sauerstoff, eilte erneut nach hinten, bis sie das Tal mit den Plattformen vor sich sah. Die größte von ihnen zog ihre Blicke magisch an. Niemand saß darauf, und doch glaubte sie dort zwei Dutzend Motana zu erkennen. Übergangslos sah sie deren Gesichter vor sich. Zephyda erinnerte sich nach und nach. „Die Schwelle", murmelte sie. „Es war unglaublich schön."
„Deine Integrationsfähigkeit raubt mir den Atem", erklang die Stimme Anthlozas hinter ihr. „Sie jagt mir aber auch Angst ein."
„Du und Angst?", fragte Zephyda mit leicht spöttischem Unterton und wandte sich um. „Du hast, bewusst oder unbewusst, sofort das Kommando über die Sänger an dich gezogen und die anderen Frauen >ausgesaugt<. Allerdings besaß die gebündelte Kraft eures Gesangs keine Richtung.
Sie verpuffte wirkungslos. Nein, nicht ganz. Im Umkreis von einer halben Stunde Fußweg litten die Motana unter schwerer Desorientierung. Sie wussten für kurze Zeit nicht mehr, wo sie sich befanden, wer sie waren und was sie taten. Ein paar zogen sich bei Stürzen Verletzungen zu." Anthloza legte ihr eine Hand auf den Arm. „Gib dir keine Schuld. Ähnliches ist uns schon mehrfach widerfahren. Es trifft hauptsächlich die nicht so erfahrenen Sängerinnen. Die älteren konnten sich gegen die verwirrenden Einflüsse abschotten."
„Es ist also zu gefährlich. Wie wirst du entscheiden?"
„Weitermachen. Du bist so stark wie keine von uns. Lerne, deine Kräfte zu kontrollieren!" Anthloza ging, und Zephyda folgte ihr nach einer Weile zu den Felswohnungen. Also bin ich doch eine Epha-Motana, von der Rorkhete sprach! Zephyda schüttelte sich, als müsse sie ein paar lästige Insekten vertreiben, die sie umschwirrten. Sie glaubte es noch immer nicht. „Ich schaffe
Weitere Kostenlose Bücher