2223 - Die Gotteskriegerin
Der Traum von Gon-Orbhon hatte Mondra eine Ahnung davon vermittelt, wie mächtig der Einfluss des Gottes sein konnte.
Sie legte die Aktennotiz zur Seite und schob die anderen Folien zusammen, nahm sie wie einen Satz Spielkarten auf und sortierte sie nach den Uhrzeiten in der oberen linken Ecke. 14.20 Uhr: Der Agent hatte beobachtet, wie Mondra die Suite verließ, in der Bre Tsinga lebte. Klar, da gab es nichts zu verheimlichen. Sie hatte sie ein letztes Mal zur Besinnung zu bringen versucht, aber es war kaum zu einem vernünftigen Gespräch gekommen.
Sie ist nicht mehr die Bre, die ich kannte, dachte Mondra.
Die Staatssekretärin legte diese Karte ab und zog die nächste aus dem Fächer. Einige Zeit später hatte Bre ihre Suite offenbar verlassen und war aufs Dach gegangen, wo ein Gleiter der Kirche Gon-Orbhons parkte. Dann war sie in Richtung Sirius River City davongeflogen ...
Das kommt hin, überlegte Mondra. Verlängert man die Strecke zwischen dem Wohnturm und dem Stadtviertel zwischen Edsengol und Sirius River, stößt man kurz hinter dem östlichen Stadtrand auf das Klaatu-Kraftwerk ...
Sie zog die dritte Folie heraus in der Hoffnung, der Agent hätte die Verfolgung aufgenommen und wüsste zu berichten, dass er mit eigenen Augen gesehen hatte, wie Bre auf einmal einen Sturzflug auf das Kraftwerk einleitete. Stattdessen las sie eine weitschweifige Erklärung, weshalb er auf dem Dachlandeplatz seinen Gleiter nicht rechtzeitig habe erreichen können und die Verfolgte ihm deshalb entkommen sei.
Gereicht dir nicht gerade zur Ehre, mein Freund ...
Mondra nahm die nächste Folie, auf der Bres Rückkehr vermerkt war. Sie war von ihrem Wohnturm die wenigen hundert Meter zum Tempel der Degression gegangen und durch den Haupteingang in der stacheligen schwarzen Halbkugel verschwunden.
Und wie weiter?, fragte sich Mondra. Sie hatte noch zwei Folien in der Hand, die beide nicht mehr viel hergaben.
Anscheinend war Bre nach einer Stunde wieder aufgetaucht und hatte sich vor dem Tempel mit einigen Jüngern besprochen. Per Richtmikrofon hatte der Agent mitgehört, dass sie sich später bei einer Demonstration treffen wollten, die in Antares City unweit des Residenzparks abgehalten werden sollte - ein Schweigemarsch der Jünger Gon-Orbhons, um auf die Heilslehre ihres Gottes hinzuweisen.
Tatsächlich hatte Bre sich gegen 17 Uhr in ihren Gleiter gesetzt und war in den Norden von Terrania gestartet.
Und diesmal war der Agent vorbereitet gewesen und hatte sofort die Verfolgung aufgenommen. Zurzeit lief er in der Demonstration mit...
Mondra konnte sich eines unguten Gefühls nicht erwehren. Etwas passte nicht in diesen Ablauf der Ereignisse.
Würde sich eine Adjunktin Gon-Orbhons, die kurz vor einem Selbstmordattentat gestanden hatte, wenige Stunden später einfach an einem Schweigemarsch beteiligen? Wäre sie dazu nicht viel zu aufgewühlt?
Aber der Agent hatte es beobachtet, und Bre hatte sich wirklich verändert. Mondra war es nicht mehr möglich, ihre einstige Freundin richtig einzuschätzen. Sie ist auch emotional nicht mehr dieselbe, ging es ihr durch den Kopf. Vielleicht geschehen solche Dinge, wenn man geistig den Halt verloren hat und Kraft bei einem Gott sucht, der anscheinend Sanftmut und Gewalt gleichermaßen lehrt.
Sie war sich nicht sicher, aber das ungute Gefühl blieb.
Myles Kantor drehte sich um und deutete auf das würfelförmige Datenholo, das sich in rund zwei Metern Höhe über dem Kommandopodest drehte. Eine kleine Sonne loderte dort, aus der ein Zapfen ragte, der jäh im Nichts endete. „Der Jetstrahl besteht aus einer Röhre, aber die Länge lässt sich nicht ermitteln."
„Hast du denn alle Berechnungsmöglichkeiten genutzt?", erkundigte sich Tiffior.
Kantor blickte den Liga-Außenminister beinahe empört an. „Wir haben einige hundert Lichtjahre zurückgelegt, schon vergessen? Was bedeutet, dass wir mit unserer Ultra-Giraffe Messungen aus allen erdenklichen Richtungen und Entfernungen durchführen konnten."
Tifflor nickte. „Aber wie du gerade gesagt hast, sind sie anscheinend völlig unbrauchbar. Zumindest wenn wir den Berechnungen deines Teams Glauben schenken können."
„Unser Datenbestand ist eben noch immer zu klein", fauchte Kantor. „Die Giraffe auf Merkur kann allein zu keinem anderen Ergebnis kommen. Das Gerät ist stationär, sodass seine Messungen stets im gleichen Winkel und bei gleicher Distanz erfolgen."
„Aber die Messungen der RICHARD BURTON waren dynamisch, und
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