223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
Fenster, um vorsichtig nach draußen zu schauen. Ein Blick auf die elegante Kutsche mit den prachtvollen Pferden genügte, um zu wissen, dass Devlins Bruder gekommen war, um Linette zu holen. Sie musste gar nicht das Wappen genauer betrachten, sie erkannte die Kutsche der Heronvales wieder.
Erschrocken zog sie sich vom Fenster zurück und überlegte, was sie tun sollte. Vielleicht würde er weiterfahren, wenn er glaubte, es sei niemand zu Hause.
Erneut wurde geklopft, dann war eine Männerstimme zu hören, die nicht nach Ned klang. „Es scheint niemand da zu sein, Mylady.“
Durch den Schlitz in den Gardinen erkannte Madeleine die Marchioness, die sich aus der Kutsche lehnte.
„Ganz sicher ist jemand zu Hause, Simms“, rief sie. „Ich sah eine Bewegung am Fenster. Am besten werde ich selbst anklopfen.“
Der Diener kehrte zur Kutsche zurück und half der Marchioness beim Aussteigen. Sie trug ein dunkelgrünes Straßenkleid, dazu Spenzer und Hut mit Federbesatz. Es wirkte, als würde sie die Stufen zur Tür hinaufschweben.
Wieder wurde geklopft. „Miss England, sind Sie da? Machen Sie bitte auf.“
Das Verhalten war einer Marchioness unwürdig. Frauen von ihrem Stand klopften nicht einfach an Türen an, und erst recht begaben sie sich nicht in diesen Stadtteil. Nur Dummheit oder eine sehr dringliche Angelegenheit konnte das rechtfertigen.
Auf einmal erschrak Madeleine. War Devlin etwas zugestoßen?
Sie lief zur Tür und öffnete sie, war aber vor Entsetzen nicht in der Lage, einen Ton herauszubringen. Die Marchioness hatte eben ein weiteres Mal klopfen wollen und zuckte ihrerseits zusammen, da die Tür so plötzlich aufgerissen wurde.
„Darf ich eintreten?“ Das schwache Lächeln der Dame half nicht, Madeleines Angst um Devlin zu lindern.
Sie ging zur Seite, um die Marchioness ins Haus zu lassen. „Danke, Simms“, rief diese über die Schulter. „Warten Sie bitte mit der Kutsche auf mich.“
„Sagen Sie es mir bitte“, flüsterte Madeleine aufgeregt, kaum dass sie die Tür hinter ihrer Besucherin geschlossen hatte. „Ist etwas passiert? Ist Devlin …?“ Sie brachte es nicht fertig, den entsetzlichen Gedanken auszusprechen.
Verdutzt sah die Marchioness sie an. „Devlin? Ich habe ihn heute noch gar nicht gesehen.“
„Dann sind Sie nicht hier, um mir zu sagen, dass ihm etwas zugestoßen ist?“
Madeleines Besucherin wurde rot. „Nein, deshalb bin ich nicht hier.“ Sie senkte den Blick. „Mein Anliegen ist persönlicher Natur.“
Fast hätte Madeleine vor Erleichterung laut aufgelacht. Devlin war weder tot noch verletzt, und verheiratet war er auch noch nicht. Als sie beruhigt die Hände ans Gesicht legte, fiel ihr erst auf, in welchem Zustand sie die Marchioness empfangen hatte. Ihre Haare hingen in Strähnen herab, ihre Hände waren schmutzig, und sie trug eine Schürze über ihrem Kleid.
„Darf ich Sie kurz sprechen?“, fragte Devlins Schwägerin nervös und sah in Richtung Salon.
„Ich werde Linette nicht hergeben. Devlin versprach mir, Ihnen das deutlich zu verstehen zu geben!“
„Es geht nicht um … Oh, das tut mir so leid … Mein Mann wollte Ihnen nicht wehtun, das kann ich Ihnen versichern.“
Skeptisch sah Madeleine sie an. „Aber er wollte mir mein Kind wegnehmen.“
Die Marchioness reagierte mit einem flehenden Blick. „Ihm war nicht bewusst, was er da vorschlug. Ich bitte Sie, ihm zu vergeben.“
„Ihm vergeben?“, konterte sie mit erhobener Stimme. „Ich bezweifle, dass es ihn kümmert, ob ich ihm vergebe oder nicht!“
Serena straffte die Schultern und erklärte ernst: „Sie fällen ein falsches Urteil über meinen Mann, Miss England. Er ist der beste Ehemann, den man sich vorstellen kann. So falsch es auch von ihm war, Ihnen diesen Vorschlag zu unterbreiten, ging es ihm tatsächlich nur darum, mir etwas Gutes zu tun.“ Mit einem Mal hatte sie einen gebieterischen Tonfall angenommen. „Könnten wir uns bitte in den Salon begeben?“
Madeleine nickte kühl, auch wenn sie sich insgeheim wunderte, wo ihre eigenen Manieren geblieben waren. Sie führte die Marchioness in den kleinen Salon, der im Gegensatz zu dem der Heronvales schäbig aussah.
„Tee, Mylady?“, fragte sie automatisch, da ihr die Gastfreundschaft angeboren war.
„Das wäre nett von Ihnen“, erwiderte ihre Besucherin mit leicht zitternder Stimme.
Auf dem Weg in die Küche legte Madeleine die Schürze
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