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223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall

Titel: 223 oder das Faustpfand - ein Kriminalfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Ochsen
aufgeweckt und dazu gebracht hat, leise fluchend und gefährlich schlecht gelaunt aus seinem Wirtshausbett zu steigen und rasch die Uniform anzuziehen, den Gurt mit der Pistole umzulegen, in die schweren Dienststiefel zu schlüpfen und im Laufschritt zum Posten zu eilen. Ist überhaupt schon jemand am Gendarmerieposten? Oder hat ihn der Unbekannte, der Duchkowitsch und Winkler das Geschehene gemeldet hat, versperrt, verriegelt und verrammelt vorgefunden, sodass er sich eben auf die Suche nach dem Kommandanten und seinem Stellvertreter gemacht hat, den einzigen beiden Amtspersonen in Persenbeug und Umgebung, denen er zutraut, damit einigermaßen umgehen zu können? Oder wurden Duchkowitsch und Winkler überhaupt zuerst vom Posten verständigt und sind dann so schnell wie möglich an ihrem Dienstort erschienen? Was heißt hier übrigens »so schnell wie möglich«? Hat der Kommandant nicht vielleicht ohnehin schon alles gewusst und ist dann sozusagen nur pro forma und daher gemächlichen Schrittes am Posten erschienen, um nicht ohne Not Verdacht auf sich zu ziehen? Andererseits, wer weiß schon, ob es überhaupt eine Untersuchung geben wird, eine Tatbestandsaufnahme, Ermittlungen? Wenn irgendwo in Großdeutschland ein paar Juden totgemacht werden, ist das noch lange kein Verbrechen. Niemand kommt wegen so einer Lappalie in Verdacht oder in Verruf, ganz im Gegenteil. Oder man hat den Herrn Kommandanten in den hellen Vormittag hinein schlafen lassen, weil man wusste, dass er keine rechte Freude mit einer Mordermittlung gegen SS-Männer hätte, überhaupt keine Freude, Himmelherrgottnocheinmal. Auf jeden Fall findet sich ab dem 3. Mai 1945 keinerlei Spur mehr vom Gendarmeriemeister Engelbert Duchkowitsch in den Akten. Der Gendarmerieposten Persenbeug scheint völlig in der Hand seines Stellvertreters gewesen zu sein, in der Hand des ehemaligen Mauterner Gendarmen Revierinspektor Franz Winkler. Sehr ungewöhnlich für eine paramilitärische Organisation wie die Gendarmerie. Vom Postenkommandanten wird man also – auch in dieser Erzählung – gar nichts mehr hören, bis zu seinem Selbstmord am 10. Mai 1945, am Tag des Einmarsches der Russen in Persenbeug.
    Stellen wir uns also nur Franz Winkler vor, wie er an diesem Kriegsmorgen, um etwa 6 Uhr früh, heftig in die Pedale seines Dienstfahrrades tritt, sodass der lange Soukop auf dem zweiten Steyr-Waffenrad des Postens kaum mehr nachkommt bei dem Tempo, in dem es die Schlossstraße hinunter auf Schloss Persenbeug zu geht. Ganz zu schweigen von den 4 Gendarmen, die zu Fuß im schnellen Schritt folgen und auf Befehl Winklers auch noch ihre Karabiner und jede Menge Munition mitführen müssen. Aus Richtung Osten ist leiser Geschützlärm zu hören.
    »Die fangen aber heute früh an, die verdammten Russki«, denkt Soukop missvergnügt.
    Die beiden schweren, schnellen Autos mit dem SS-Rollkommando sind da schon längst, vor 2 Stunden etwa, die Höhenstraße Führholz–Eben–Pemperreith in Richtung Ysper, Altenmarkt zurückgefahren. Ihren Einsatz werden sie wohl erst am Nachmittag in ihrem Quartier in Gutenbrunn bei Wein, Weib und Gesang feiern.
    Das jüngste Kind, das erschossen in einer Bettstelle liegt, ist vielleicht 3 Jahre alt. Ein abgezehrtes Mädchen mit langen, blonden Engelslocken und einer Hungerhaut im Gesicht, rau wie eine unverputzte Gartenmauer. Revierinspektor Winkler wendet sich abrupt ab von dem kleinen, blutigen Leichnam, dem man in die Brust geschossen hat.
    Herrgott, denkt er, Herrgott noch einmal!
    Er hat in seinen langen Berufsjahren wahrlich schon genug Leichen ansehen müssen. Angefangen von den Hungerwintern und Chaosjahren am Ende des Ersten Weltkriegs, als demobilisierte Truppen und Tausende Kriegsgefangene marodierend durch das Land gezogen sind, wobei ihnen die Ordnungsmacht, die Volkswehr, in dieser Hinsicht kaum nachstand. Aber die damaligen Hungermorde waren praktisch nichts gegen das hier, so etwas hatte er noch nie mit eigenen Augen gesehen. Korporal Landler, der neben ihm steht und der sich in den letzten Tagen besonders bemüht hat, Nahrungsmittelspenden für die Juden des Auffanglagers zu organisieren, gibt plötzlich ein krächzendes, würgendes Geräusch von sich und stolpert zur Tür der Baracke. Ein Gendarm hat eigentlich immer und überall Haltung zu bewahren, denkt Revierinspektor Winkler, aber in diesem Fall, wer will es dem Landler verdenken!
    Insgesamt finden der stellvertretende Postenkommandant und seine Männer in dieser

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