2236 - Der Finger Gottes
berichtete, umarmte sie ihn und drückte sich eng an ihn, um ihn zu trösten. „Mach dir nichts draus", bat sie ihn. „Wir wussten doch von vornherein, dass die Erwachsenen mit diesen neuen Ideen nichts oder nur sehr wenig anfangen können. Wir werden uns vermehrt an die Jugend wenden. Bei ihr werden wir mehr Erfolg haben."
Sie verabschiedeten sich zärtlich voneinander, dann eilte er in einen nach rechts abzweigenden Stollen hinein, um seine Arbeit aufzunehmen, während sie in einen nach links abbiegenden, steil in die Tiefe führenden Stollen ging.
Dando war noch keine zwanzig Schritte weit gekommen, als er es hinter sich krachen hörte.
Erschrocken blieb er stehen. Herumfahrend sah er eine Staubwolke aus jenem Stollen quellen, den seine geliebte Lebenspartnerin gerade eben betreten hatte. „Otarie!", schrie er, während er von Angst um sie erfüllt die kurze Wegstrecke zurücklief. Er wedelte mit beiden Armen, um den Staub zu vertreiben. Zugleich versuchte er, ihr in den Stollen zu folgen. Er kam nur ein paar Schritte weit, dann versperrten ihm große Felsbrocken den Weg. Die Decke war eingebrochen und hatte den Stollen verschüttet. Eine metallisch wirkende Kugel rollte ihm vor die Füße. Reflexhaft hob er sie auf und steckte sie ein, ohne darüber nachzudenken, welche Bedeutung sie hatte. In seinem Kopf schwirrten die Gedanken.
Er war erfahren und klug genug, um zu erkennen, dass er allein nichts ausrichten konnte. Daher rannte er in den anderen Stollen hinein, bis er auf eine Gruppe von caiwanischen Arbeitern stieß. Er befahl ihnen, ihm zu folgen und die Rettungsarbeiten aufzunehmen. Kaum aber hatten die Männer und Frauen die ersten Gesteinsbrocken zur Seite geräumt, als Aerbon an der Unglücksstelle erschien.
Zugleich vernahm Dando die verzweifelten Rufe Otaries und einiger anderer Frauen, die in dem verschütteten Stollen eingeschlossen waren. „Wir helfen euch", antwortete er. „Wir räumen den Schutt zur Seite und holen euch heraus."
„Das könnt ihr am Ende der Schicht machen", fuhr ihm der Arkonide in die Parade. „Jetzt geht ihr an die Arbeit und holt Kristalle aus dem Berg. Sobald ihr die Quote erfüllt habt, könnt ihr euch hier durch den Berg wühlen. Vorher nicht."
„Kommt nicht in Frage!", widersprach Dando. Er zuckte erschrocken zusammen, als er hörte, wie es im Fels knirschte und knackte. Irgendwo in der Tiefe des Berges stürzte polternd weiteres Gestein herab. Otarie und die anderen Frauen schrien vor Angst. „Wir machen es gleich. Nachher könnte es zu spät sein."
„Du wagst es, dich mir zu widersetzen?" Aerbon griff unter seine Kleidung. Seine Hand kam mit einem Stab hervor, dessen Spitze matt leuchtete. Dando erkannte die Waffe. Es war die gefürchtete Neuropeitsche. „Das Leben der Verschütteten geht vor", protestierte er. „Sobald wir sie herausgeholt haben, nehmen wir die Arbeit wieder auf. Wir werden die Tagesquote erfüllen, und wir werden noch mehr als das tun."
„Du wirst vor allem gehorchen!", forderte der Arkonide.
Dando schlug blitzschnell zu. Seine Faust traf die Neuropeitsche und schleuderte sie zur Seite.
Aerbon wollte sich nach der Waffe bücken, um sie aufzuheben, doch der Caiwane hinderte ihn daran.
Er hielt ihn am Arm fest. Zornig fuhr der Leiter der Mine herum. Dando sah das Unheil kommen, konnte jedoch nicht mehr ausweichen. Ein Fausthieb traf ihn am Hals und warf ihn zu Boden. Noch während er sich aufrichtete, trat Aerbon mit dem Fuß nach ihm. Er spürte einen stechenden Schmerz im Kopf, und für einen kurzen Moment konnte er nichts sehen. Ein weiterer Fausthieb setzte ihn außer Gefecht.
Halbwegs betäubt blieb er auf dem Boden liegen. Er hörte die Schreie der Männer um ihn herum. Mit einem schrecklichen Krachen brach der Stollen ein. Danach wurde es entsetzlich still. Dando war, als würde er von einem Messer durchbohrt. Er begriff, was geschehen war.
Aerbons Fuß drückte sich ihm auf die Brust. Unwillkürlich griff er danach, konnte ihn jedoch nicht zur Seite schieben. Der Arkonide war sehr viel kräftiger und schwerer als er. Die Neuropeitsche blitzte kurz auf, und grauenhafte Schmerzen schienen seine inneren Organe zu zerreißen. Dando verlor das Bewusstsein.
Otarie war tot. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Der Schmerz über den Verlust war weitaus größer als jener, den die Neuropeitsche verursachte. Er saß tiefer, und er ließ nicht nach. Er war umso quälender, als Dando sicher war, dass er sie hätte retten können,
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