2244 - Bürgergarde Terrania
Geisteskranken. „Wir sollen versuchen herauszufinden, woran der TLD bisher gescheitert ist: was es mit Marschall Tellon auf sich hat, aber auch, was die nächsten Ziele der Bürgergarde Terrania sein könnten.
Deshalb müssen wir uns zuallererst ein Bild von dem Ort machen, der sich mehr als jeder ändere für einen großen Schlag der Bürgergarde anbietet. Und das ist der Tempel der Degression."
„Wenn es nur das wäre", seufzte Maggie. „Aber alles in mir sträubt sich dagegen, ein solches falsches Heiligtum eines verlogenen Propheten betreten zu müssen. Er beschmutzt die Ehrwürdigkeit aller Religionen des Universums. Ich weiß nicht, wie gut ich mich ihm gegenüber beherrschen kann, aber ich versuche es."
„Danke", sagte Schneider.
Greuther räusperte sich. „Denkt daran: Ich will so viel von Imberlocks Umgebung sehen wie möglich."
„Du bist nicht mehr zu retten!", schimpfte Schneider. „Verrate mir mal, wieso du dich hast breitschlagen lassen, diese religiösen Fanatiker gegen die Einzigen zu beschützen, die etwas gegen sie tun wollen - das ist Irrsinn, Chip! Absoluter Irrsinn!"
Greuther gab keine Antwort mehr. Er verstand ihn ja. Er verstand auch Maggie. Für sie war es aus spirituellen Gründen eine enorme Überwindung. Sie sah sich mit dem Schlimmsten konfrontiert, was sie sich vorstellen korinte. Die Agentin sollte den Ort betreten, der für sie wie die Hölle sein musste - und dem Mann begegnen, den sie für den leibhaftigen Satan hielt. Chip mutete ihr viel zu, aber er hatte einen klaren Auftrag bekommen und wider jede Überzeugung akzeptiert. Und er hatte sich den Weg in langen Überlegungen zurechtgelegt, den er gehen musste, wenn überhaupt eine Chance auf Erfolg bestehen sollte. Es gab nur diesen einen - auch wenn es so schien, als zäumte er das Pferd von hinten auf. Und ganz gleich, was andere Agenten des Liga-Dienstes bisher getan hatten.
Er ließ den Gleiter verlangsamen und ging tiefer. Der Tempel der Degression war bereits in Sicht, ein hässliches, an den Boden geducktes, kuppelförmiges schwarzes Bauwerk mit einem großen Turm in der Mitte. Es erinnerte mit seinen vielen langen Antennen an ein stachelbewehrtes, finsteres Ungeheuer.
Greuther hatte sich gut auf diesen Flug vorbereitet und mit Agenten gesprochen, die dieses Viertel von Terrania überwachten. Diejenigen Bewohner, die in der Nachbarschaft des Tempels gelebt hatten und nicht zur Sekte gehörten, hatten inzwischen das Feld in einem fast schon lawinenartigen Vorgang mehr oder weniger geräumt. Sie waren geflohen. Chip konnte es gut nachvollziehen, denn wer wollte schon in Nachbarschaft mit den Jüngern des Gottes Gon-Orbhon wohnen - jetzt, da die Dinge zu eskalieren drohten? Wer wollte riskieren, dass die eigenen Kinder bei einem Anschlag entweder der einen oder anderen Seite getötet wurden? Opfer eines durchdrehenden Jüngers oder deren nun auch militant auftretender Gegner?
Dieser „Exodus" bedeutete aber keineswegs, dass die Gebäude im Umkreis des Tempels nun etwa leer standen. Stattdessen zogen die Jünger ihres Gottes nun aus allen Teilen der Welt nach Terrania, und zwar exakt in jenes Viertel mit den vakanten Wohnungen, das im öffentlichen Jargon bereits „Tempelbezirk" geschimpft wurde.
Auf diese Weise entstand in diesem Teil der Riesenmetropole ein Ghetto, argwöhnisch belauert von den übrigen Bürgern der Stadt, unauffällig observiert vom Liga-Dienst und permanent abpatrouilliert von Mitgliedern der Polizei. Aber das, wusste Greuther, konnte und würde die Bürgergarde Terrania nicht davon abschrecken, sich hier ihre Ziele zu suchen. Im Gegenteil! Welcher Ort eignete sich besser als dieser für den erwarteten wirklich großen Anschlag der Garde?" Hier waren die Sektenjünger konzentriert, hier lebten sie auf engstem Raum. Hier und in ihrem Tempel.
Deshalb sah Chip Greuther im Herzen der Kirche Gon-Orbhons sein erstes Ziel. Überall in Terrania reagierten die Menschen aggressiver auf die Aktivitäten der Sekte. Fast andauernd kam es zu Übergriffen. Die Propaganda der Bürgergarde tat ihre Wirkung. Die Stimmung heizte sich auf. Es fehlte nicht mehr viel, und die Lage würde eskalieren. Die Gesetzeshüter mussten immer wieder die Mitglieder der Kirche vor den aufgebrachten Bürgern in Schutz nehmen. Ob sie sich dabei so fühlten wie Chip? Wie viele sahen einfach weg, so wie er es Schneider zutrauen würde?
Freiheit des Glaubens! Chip konnte es nicht mehr hören. Was musste noch alles geschehen,
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