2248 - Friedenskämpfer
brennenden Hass spürte. Diese Wesen kamen, um zu vernichten.
Warum?
Sie war nicht in der Lage, Gedanken zu lesen, sondern nahm nur Empfindungen wahr. Niederschwellen-Telepathie hatte Homunk diese Fähigkeit genannt, über die auch ihre Geschwister verfügten. Aber sie konnte am besten damit umgehen. Homunks Nähe hatte sie stets vor den anderen gespürt, als verbinde sie und ihn ein unsichtbares Band.
Die Kastenschiffe beendeten das Einschließungsmanöver. Ihre Waffensysteme wurden mit Energie beschickt.
Augenblicke später brachen aus den Projektoren dicke Glutstrahlen hervor. Über Ambur-Karbush explodierte der Himmel. Gleißende Helligkeit sprang aus der Höhe herab. Das war der Moment, in dem die Starre von Lyressea abfiel. Dennoch lief sie nicht davon. Wenn der Tod über Ambur kam, war es egal, wo sie sich aufhielt.
ES!, brüllten ihre Gedanken. Homunk! Wie sollen wir uns wehren?
Düsterrot glühte die Energiekuppel-Aus diesem Lodern fielen die ersten Raumschiffe herab, eines sank der Hochebene entgegen.
Nie wäre es Lyressea in den Sinn gekommen, dass jemand, der die interstellare Raumfahrt beherrschte, grundlos angreifen könnte. War nicht Intelligenz gleichbedeutend mit Toleranz und Achtung des Fremden? Der Weltraum war die Herausforderung. Genauer gesagt: Raum und Zeit. Nicht der wenige Lichtjahre entfernte Nachbar, mochte sein Erbmaterial nur wenige Prozent Abweichung aufweisen oder mochte er einem völlig anderen Genpool entstiegen sein. Derartige Unterschiede, fand Lyressea, waren keine nennenswerten Abweichungen.
Und sie wusste, dass ihre Geschwister ähnlich dachten.
Ihr Weltbild geriet ins Wanken.
Hast du uns deshalb jahrzehntelang auf Ambur behütet, Homunk? Damit wir nicht sehen, wie gewalttätig das Leben außerhalb sein kann?
Lyressea erhielt keine Antwort.
Homunk ...?
Stets hatte er davon gesprochen, dass sie alle sechs sowohl körperlich als auch mental sehr viel Training benötigten. Wie es zwischen den Sternen von Ammandul aussah, darüber hatte er indes nur wenige Worte verloren.
Im Nachhinein stellte Lyressea fest, dass seine Kommentare dem Problem ausgewichen waren.
Was wolltest du uns verheimlichen, Homunk? Was durften wir noch nicht wissen, ES? Sie biss sich die Unterlippe blutig. Ohne dass sie sich dessen bewusst wurde, ballte sie die Hände. Ihre spitzen Nägel schnitten tief in die Handballen ein. Niemand muss uns vor der Wahrheit schützen, egal, wie schockierend sie sein mag. Keiner von uns wird in Panik verfallen ...
Roboter stiegen aus der Maschinenstadt auf. Es war ein beachtlicher Schwärm, der den landenden Kastenschiffen entgegenflog. „Nein!", wollte Lyressea rufen. „Tut das nicht!" Aber es war bereits zu spät. Glutstrahlen zuckten über die Stadt hinweg, erfassten die Roboter und ließen nur zerstäubende Glut zurück.
Lyressea hatte Augenblicke zuvor die Reaktion der Angreifer wahrgenommen. Die nächsten Schüsse würden der Stadt gelten, den Knotenpunkten der Energieerzeugung, den markanten Gebäuden ... das spürte sie ebenfalls.
Obwohl es ihr schwer fiel, die eigene Erregung zurückzudrängen und sich wieder zu konzentrieren.
Thermosalven brannten eine lodernde Schneise quer durch Ambur-Karbush. Mehrere Türme wurden erst zu Fackeln, dann sackten sie langsam in sich zusammen.
Lyressea spürte die fremden Emotionen deutlicher werden: Triumph und ein Gefühl unglaublicher Erregung. Da war auch der Hass wieder, intensiver als zuvor aus der Distanz. Die Angreifer waren nicht zufällig über Ambur erschienen; sie kamen, um Rache zu nehmen ...
Eine schwere Erschütterung durchlief die Stadt. Jenseits des Flusses stieg ein düsterer Explosionspilz in die Höhe. Weiter entfernt schoss eine Glutwolke bis an den Kuppelschirm empor und flutete nach allen Seiten auseinander. Das nachfolgende Beben ließ den Rand des Plateaus abbrechen und in den Fluss stürzen. Der aufkommende Sturm peitschte Gischt durch die Stadt, aber auch die Asche der fernen Explosionen.
Homunk!, schrien Lyresseas Gedanken. Eine neue Thermosalve tobte heran.
Sie begann nun doch zu laufen. Die Strahlbahnen kamen näher, sprangen über sie hinweg, fauchten weiter.
Keine dreißig Meter vor ihr brodelte ein glühender Krater, als hätte sich der Boden auf getan und Lava ausgespuckt. Die Hitze machte das Atmen zur Qual, aber Lyressea hastete weiter, obwohl sie wusste, dass es unsinnig war: Wenn die Fremden Ambur vernichteten, war es egal, wo sie starb. Doch ihre Gefühle gehorchten dem
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