2256 - Bahnhof im Weltraum
Arbeit tat ihr Übriges, um sie von ihren Sorgen abzulenken.
Von ihrer Angst um Kortez Melander und ihrer Furcht vor dem Unbekannten, das sich in den Weltraumbahnhof eingeschlichen hatte und die Menschen auf gespenstische Weise veränderte.
Unwillkürlich fragte sie sich, warum es sie noch nicht erwischt hatte. Warum war ausgerechnet sie frei von dem unerklärlichen Einfluss, der so viele andere Crewmitglieder in eine Art Zombies verwandelt hatte?
Cilia überlegte.
Sie hatte die letzten Tage, seit der Bahnhof den Hypersturm passiert und seinen Zielpunkt im intergalaktischen Leerraum erreicht hatte-, größtenteils an Bord ihrer Wartuhgskapsel verbracht, mit der Inspektion der Außenhülle beschäftigt. Vielleicht hatte diese Tatsache sie gerettet.
Aber das konnte bedeuten, dass sie es tatsächlich mit einem unbekannten Erreger zu tun hatten, der durch die Luft übertragen wurde, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wann und wie das mysteriöse Virus in den Weltraumbahnhof gelangt war. Es musste bereits im Hayok-System geschehen sein.
Natürlich erklärte dies nicht, warum die internen Biosensoren und -filter nicht auf den Keim reagierten.
Cilia seufzte und versuchte sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch es gelang ihr nur unvollkommen.
Sie musste immer wieder daran denken, was aus Kortez geworden war und was geschehen würde, wenn die RICHARD BURTON eintraf. Sie mussten unter allen Umständen verhindern, dass Bahnhof im Weltraum die über 7000-köpfige Besatzung des Omni-Trägerschiffs ebenfalls dem unheimlichen Einfiuss erlag.
Die Zeit dehnte sich, obwohl sie verbissen arbeitete, die Minuten schleppten sich nur träge dahin, und schließlich, nach einer Stunde, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, konnte sie es nicht länger aushalten. Sie musste erfahren, was Nesson inzwischen herausgefunden hatte.
Doch als sie den Interkom der Kapsel aktivierte, drangen nur prasselnde Störgeräusche aus dem Empfänger. Sie versuchte es mit ihrem Kom-Armband, und das Ergebnis war dasselbe.
Irgendetwas blockierte die Interkomverbindungen.
Die Angst, die sie in der vergangenen Stunde halbwegs unterdrückt hatte, sprang sie erneut wie ein großes, unsichtbares Tier an.
Wenn auch Nesson etwas zugestoßen war ...
Völler Panik aktivierte sie den Autopiloten und kehrte zur Wartungssektion zurück. Als sie sich eingeschleust hatte und im Parkbereich die Wartungskapsel verließ, sah sie, dass DaRibas Kapsel ebenfalls zurückgekehrt war.
Sie rannte in die Kontrollkabine und blieb wie angewurzelt stehen.
DaRiba saß auf dem Boden, mit dem Rücken an der Wand, und sein Gesicht war schlaff und ausdruckslos, sein Blick leer. Er rührte sich nicht. „Oh nein!", stöhnte sie verzweifelt. Nicht auch noch DaRiba!
Sie kniete vor ihm nieder, aber seine Augen blieben leer, unfokussiert. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass sie da war.' Dann fiel ihr Blick auf seine Hand, auf die kleine rötliche Schwellung am Gelenk unter dem Kom-Armband. Eine steile Falte erschien an ihrer Stirn. Sie erinnerte sich, dieselbe Schwellung bei Leutnant Roghen von der ISA und dem Techniker Karmichael bemerkt zu haben, der ihr den Zutritt zum hydroponischen Garten versperrt hatte.
Ein Insektenstich?
Aber es gab keine Insekten im Weltraumbahnhof. Die internen Hygienesysteme verhinderten jeden Schädlingsbefall. Warum war ihr das nicht früher eingefallen?
Cilia griff nach DaRibas Hand, um die Schwellung genauer unter die Lupe zu nehmen, doch ehe sie sie berühren konnte, veränderte sich der Gesichtsausdruck des kleinen Mannes. Es war, als hätte irgendjemand einen unsichtbaren Schalter umgelegt.
Etwas Dunkles und Fremdes war plötzlich in seinen Augen, grausam und wild. Seine Miene verfinsterte sich. Drohend funkelte er sie an, und seine Hand schoss nach vorn und packte sie an der Kehle.
Sie röchelte, als ihr die Luft abgeschnürt wurde. „Ich kenne dich, Cilia Perish", zischte DaRiba, und sogar seine Stimme klang verändert, rau und heiser und hasserfüllt. „Und ich beobachte dich schon lange. Du wirst mir nicht entkommen ..."
Ihr wurde schwarz vor Augen. Seine Hand lag wie eine Stahlklammer um ihre Kehle. Sie hatte nicht gewusst, dass der kleine, unscheinbare Mann über derartige Kräfte verfügte.
Sie warf sich nach hinten, und endlich gelang es ihr, die würgende Hand abzuschütteln und aufzuspringen. DaRiba stand ebenfalls auf, mit langsamen, schwerfälligen Bewegungen und diesem dunklen, drohenden Ausdruck in den
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