2273 - Der gefallene Schutzherr
natürlich war das die Unsterblichkeit. Aber wie konnte Gon-Orbhon davon wissen? Und wie wollte er ihn erfüllen können? Hielt er sich jetzt für den Herrn über Leben und Tod? „Ich glaube nicht, dass er dazu in der Lage ist", sagte der Schutzherr also, in dessen Geist sich sofort wieder die warnende Stimme des Symbionten erhob: Glaube ihm nicht! Es ist eine Falle! Nur ich kann dich unsterblich erhalten!
Was sollte Enkrine auch anderes sagen? Aber natürlich erreichte er dadurch nur das Gegenteil. Selbstverständlich musste er Angst davor haben, plötzlich überflüssig zu werden - das, was Kharzani sich wünschte wie kaum etwas anderes auf der Welt. Aber wenn er diese Angst hatte, dann musste er auch an die Möglichkeit glauben. „Mein Herr bittet dich um einen Besuch", fuhr der Arveze fort. „Er möchte dir ein Angebot unterbreiten."
„Er will ... handeln?", fragte Kharzani misstrauisch.
Das hörte sich schon anders an. Gon-Orbhon hätte keinen Grund gehabt, ihm ein solches Geschenk zu machen - sollte er es denn wirklich können. „Ich werde es mir überlegen", verkündete der Schutzherr und Herrscher Arphonies, wie er sich inzwischen nennen ließ. „Warte meine Entscheidung ab. Bis dahin bist du mein Gast. Es wird dir an nichts fehlen."
Er brauchte nur eine Nacht, um sich zu entscheiden. Erst als er allein war, wurde ihm klar, was für ein Angebot ihm Gon-Orbhon da machte.
Er konnte seinen Fluch endlich abstreifen - das, wovon er so lange geträumt hatte!
Du stehst im Begriff, einen furchtbaren Fehler zu begehen!, wisperte Enkrine aufgeregt. Hörte er schon Panik aus den Impulsen heraus? Traue ihm nicht! Nur ich kann dein Leben verlängern! Gon-Orbhon ist kein Gott!
Höre ich da Angst heraus?, dachte Kharzani zurück.
Ja, ich habe Angst. Angst um uns beide! Um dich ebenso wie um mich!
Du lügst wenig überzeugend, weißt du das eigentlich?
Die Entscheidung, wenn sie nicht schon gefallen wäre, stand jetzt endgültig fest.
Am anderen Morgen teilte er dem Boten aus Amringhar mit, dass er der Einladung nach Parrakh folgen und Gon-Orbhon aufsuchen würde. Enkrine redete auf ihn ein, flehte und schrie, bevor er endlich einsah, dass er seinen Herrn nicht umstimmen konnte, sondern nur noch entschlossener machte.
Nur welchen Gon-Orbhon? Wen, was würde Tagg Kharzani vorfinden, wenn der ehemalige Schutzherr in Satrugar aufgegangen war und seinen Körper verloren hatte?
Tagg Kharzani verließ sein Raumschiff und ließ es bei der Bastions-Dependance versiegelt zurück, ehe er in einer Energiesphäre zu dem „Berg" flog, der neben dem Dom aus dem See ragte - das, was physisch von dem Nocturnenstock Satrugar übrig geblieben war.
Psychisch war Satrugar nicht erloschen. Kharzani spürte seine gewaltige Ausstrahlung, die ihm mit voller Wucht entgegenschlug - als eine der beiden Komponenten eines unglaublichen Geistes, der aus der Vermischung mit Gon-Orbhon entstanden war.
Er wurde von jenem Arvezen, der ihn im Schloss Kherzesch aufgesucht hatte, in den Stock hineingeführt, bis er Gon-Orbhon „leibhaftig" vor sich sah. Er wusste nicht, ob er eine Projektion des Hünen vor sich hatte oder wie diese Erscheinung zustande kam, wenn der „Gott" doch körperlos war.
Doch nach den ersten Worten des ehemaligen Schutzherrn spielte das keine so große Rolle mehr.
Gon-Orbhon, eine der beiden Komponenten des „Gottes Gon-Orbhon", empfing ihn freundlich und zuvorkommend und kam recht schnell zur Sache.
Sein Bote hatte nicht gelogen. Er bot ihm die Unsterblichkeit an, wenn er ihm dafür dabei half, den gesamten Schutzherrenorden unter seine Kontrolle zu bringen. Nicht mehr und nicht weniger. Gon-Orbhon, der „Gott", wollte die ganze Macht. Er hatte sich von den Schutzherren abgespalten, aber nicht so, wie diese sich das vorgestellt hatten. Er wollte die Macht, die ganze Macht über den Orden. Falls Tagg Kharzani bereit war, ihm dabei zu dienen, würde er ihm dafür die Unsterblichkeit schenken.
Was für eine Versuchung!
Enkrine - soweit man bei einem Wesen wie ihm davon sprechen konnte - verlor fast den Verstand. Er bäumte sich gegen den Gedanken auf, von seinem Herrn nicht mehr benötigt und abgestreift zu werden wie ein alter Lumpen. Er war voller Panik, aber alles Toben, alles Bitten und Flehen half nichts. Tagg Kharzani war berauscht von dem Gedanken, Unsterblichheit, wirkliche Unsterblichkeit zu erlangen und alle Ängste zu verlieren, die ihn über Jahrtausende hinweg gequält hatten.
Ein Leben ohne
Weitere Kostenlose Bücher